21.06.2022

Wind-an-Land-Gesetz und die Planungshoheit der Kommunen

Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß und Rechtsanwalt Dr. Ole Jena

Kabinett beschließt Formulierungshilfe für das „Wind-an-Land-Gesetz – WaLG“.

I. Kurzüberblick über das Gesetz

Um die Ausbauziele für den Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Stromproduktion zu erreichen, soll der Anteil der Flächen, die planerisch für Windenergieanlagen (WEA) bereitstehen, von derzeit 0,8 % (effektiv 0,52 %) auf 1,4 % bis Ende 2026 und 2,0 % bis Ende 2032 steigen. Den Ländern werden jeweils spezifische Vorgaben („Flächenziele“) gemacht, z. B. für Baden-Württemberg 1,1 % bis Ende 2026 und 1,8 % bis Ende 2032.

Durch die Presse ging, dass die Abstandsregeln für Windenergieanlagen (WEA) entfallen, wenn ein Land die Quote verfehlt. Für die Kommunen noch wichtiger ist aber, dass die Steuerung von WEA durch Flächennutzungsplan nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entfällt, vgl. § 249 Abs. 1 BauGB-E.

1. Übergangsregelung

Wo eine Darstellung in einem Flächennutzungsplan nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB schon besteht oder bis ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes wirksam geworden ist, gilt deren Ausschlusswirkung noch bis zum 31.12.2026 fort. Ausschlusswirkung bedeutet, dass WEA außerhalb von in einem Flächennutzungsplan oder Regionalplan dargestellten Flächen für WEA grundsätzlich nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB unzulässig sind (Schwarz-Weiß-Planung). In Baden-Württemberg konnten die Gemeinden die entsprechende Steuerung in den letzten Jahren mit Flächennutzungsplan vornehmen, was da, wo genug Windhöffigkeit besteht, meist auch geschehen ist.

2. Künftiger Mechanismus

Künftig wird die „Schwarz-Weiß-Planung“ noch verstärkt: Innerhalb von ausgewiesenen (zur neuen Art und Weise der „Ausweisung“ sogleich) Windenergiegebieten sind WEA nicht nur privilegiert. Es entfällt – sowohl für das Planungs- als auch für das Genehmigungsverfahren – die Sperrwirkung entgegenstehender Ziele der Raumordnung und Darstellungen im Flächennutzungsplan. Auch eine Auswahl der Gebiete in Stufen, die das Bundesverwaltungsgericht entwickelt hat, ist nicht mehr erforderlich. Außerhalb von Windenergiegebieten entfällt die Privilegierung (aus § 35 Abs. 1 Nr. 5) von WEA vollständig, sie sind nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen, allerdings erst, wenn das erste Flächenziel 2026 erreicht wird.

Entscheidend ist damit die Bestimmung des Flächenziels. Die Bundesländer haben nun die Wahl, entweder selbst ausreichend Windenergiegebiete planerisch festzulegen, was aufgrund der erforderlichen Detailschärfe eine große Herausforderung ist. Oder sie geben den Regionalverbänden oder den kommunalen Planungsträgern regionale bzw. kommunale Flächenziele durch entsprechende Ziele der Raumordnung oder durch Landesgesetz vor. Zur Berechnung des Verteilungsschlüssels für die regionalen bzw. kommunalen Flächenziele ist allerdings ebenfalls bereits eine Grobplanung erforderlich, um Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Kommunen herzustellen und der unterschiedlichen Windhöffigkeit in unterschiedlichen Regionen/Kommunen Rechnung zu tragen.

Wurde das Flächenziel für 2026 (BW: 1,1 %) erreicht, so hat das betroffene Land bzw. die betroffene Kommune bis 2032 Zeit, das nächste Ziel (für 2032, BW: 1,8 %) zu erreichen. Wird das Flächenziel 2026 verfehlt, so sind WEA ab 2027 ungesteuert zulässig, bis das Ziel für 2032 erreicht wurde.

3. Fazit

Die Bundesregierung hat damit einen Gesetzentwurf mit „Klauen und Zähnen“ vorgelegt, um ein Zitat von Minister Habeck zu übertragen. Die Umsetzung auf Landes- und kommunaler Ebene ist aber rechtlich, politisch und tatsächlich eine große Herausforderung. Schlägt sie fehl, entfällt ipso iure jede – bisherige – Steuerung der Ansiedlung von WEA – sie sind dann überall im Außenbereich privilegiert. Um weiterhin auch anderen öffentlichen Belangen wie zum Beispiel Ortsbild und Landschafsschutz Rechnung tragen zu können, ist daher eine konstruktive und sehr zügige Zusammenarbeit sämtlicher Ebenen erforderlich.

II. Steuerung durch Kommunen

Eine Steuerung durch Kommunen ist nach dem Gesetzentwurf verlässlich also nur noch im Rahmen der Übergangsregelung bis Ende 2026 möglich, und auch nur dann, wenn die entsprechende Steuerung schon besteht oder innerhalb der Übergangsfrist von einem Jahr in Kraft getreten ist. Danach ist vieles offen:

1. Planung durch das Land

Zieht das Land die Planung der Windenergiegebiete an sich bzw. überträgt diese den Regionalverbänden, so können die Kommunen Windenergieanlagen nicht mehr steuern. Bis zum Erreichen der Quote sind WEA dann überall, wo nicht nach der Übergangsregelung ein Flächennutzungsplan fortgilt, privilegiert – eine Zurückstellung kann (anders als bisher nach § 15 Abs. 3 BauGB: Gemeinde) nur noch durch das Land (bzw. die Regionalverbände) nach Landesrecht erfolgen.

Den Kommunen bleibt nur die Möglichkeit, sich politisch in die Planungen einzubringen und so besonders wertvolle Orts- und Landschaftsbilder zu schützen. Rechtsschutz besteht in einem Normenkontrollantrag gegen den Regionalplan. Damit die gerichtliche Aufhebung eines Windenergiegebiets nicht kontraproduktiv wirkt – weil auf diese Weise das Flächenziel unterschritten wird
und daher WEA im gesamten Land bzw. der gesamten Region privilegiert werden – sieht der Gesetzentwurf vor, dass der Planungsträger ein Jahr Zeit hat, Ersatzflächen auszuweisen, § 4 Abs. 2 WindBG-E.

2. Planung durch Kommunen

Überträgt das Land die Planung den Kommunen, so müssen sie darin das ihnen jeweils zugeordnete Flächenziel umsetzen. Bereits in diesen Prozess der Festlegung der Flächenziele sollte sich eine Kommune frühzeitig einbringen. Ist erst einmal ein hohes Flächenziel für die Kommune festgelegt, so muss die Kommune dieses Flächenziel erreichen, um WEA in ihrem Gebiet nach 2026 überhaupt noch steuern zu können. Rechtsschutz wird – bei einer Festlegung des Flächenziels durch Ziele der Raumordnung beim VGH Baden-Württemberg, bei einer Festlegung durch Gesetz bei der Verfassungsgerichtsbarkeit – kaum rechtzeitig zu erlangen sein: Bei einer gerichtlich aufgehobenen Zuordnung „droht“ kraft Privilegierung eine ungesteuerte Genehmigungspraxis, wenn bis Anfang 2027 die wirksame Zuordnung nicht bestimmt und umgesetzt wurde.

Bis zur Umsetzung sind die WEA im Außenbereich privilegiert, soweit nicht die Übergangsregelung greift. Die Gemeinden können die Planung der Windenergiegebiete aber entsprechend § 15 Abs. 3 BauGB durch Zurückstellung eines Baugesuchs absichern, § 245e Abs. 2 BauGB-E, „längstens bis zum Ablauf des 31.12.2026“.

III. Planungserleichterungen

Die Planung wird den Kommunen deutlich erleichtert – insbesondere bedarf es keines mehrstufigen Verfahrens mehr. Eine Ausschlusswirkung außerhalb festgesetzter Windenergiegebiete ergibt sich ggf. allein daraus, dass das zugeordnete Flächenziel erreicht wird. Welche Anforderungen die Rechtsprechung dann wieder stellt, bleibt abzuwarten. Die Planungssicherheit für Windkraftbetreiber steigt damit, zumal Ziele der Raumordnung oder Darstellungen in Flächennutzungsplänen der Planung dann nicht mehr entgegengehalten werden können, § 249 Abs. 5 BauGB-E.

IV. Fazit

Ob der Entwurf so Gesetz wird, ist zwar noch nicht sicher. Da der Bundesrat dem Gesetz nach Auffassung der Bundesregierung nicht zustimmen muss, ist aber wahrscheinlich, dass jedenfalls die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben.

Kommunen ist zu raten, sich frühzeitig in den Umsetzungsprozess einzubringen.
Die Kommunen sollten sich beim Land stark machen für eine möglichst lokale Planung, aber auch einen transparenten Prozess bei der Bestimmung kommunaler Flächenziele. Die kommunalen Planungsträger sollten dann – wie die Bundesländer – die Möglichkeit haben, durch Vertrag Flächenziele untereinander zu übertragen.

Die Kommune, die ihre möglichen Flächen gut begründet in den Prozess einbringt,
hat sicher bessere Chancen, gehört zu werden.

Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß

Vita, Veröffentlichungen & Co:
Hier lesen Sie mehr über Dr. Peter Neusüß

Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ole Jena

Vita, Veröffentlichungen & Co:
Hier lesen Sie mehr über Dr. Ole Jena