BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22 – Anmerkung von RA Thilo Zagon
Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), wird der Formmangel (die kaufvertraglichen Abreden müssen wegen § 311b BGB beurkundet werden) in der Regel durch Eigentumsumschreibung geheilt, sodass der Vertrag im Ergebnis nicht nichtig ist.
Sachverhalt:
Im zu entscheidenden Fall wurde im beurkundeten Grundstückskaufvertrag ein Kaufpreis in Höhe eines Betrags von 120.000,00 € ausgewiesen. Die Parteien hatten jedoch tatsächlich einen Kaufpreis in Höhe eines Betrags von 150.000,00 € vereinbart. Die Differenz in Höhe von 30.000,00 € wurde vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags in bar an den Verkäufer gezahlt.
Der Käufer wurde im Anschluss im Grundbuch als Eigentümer des kaufgegenständlichen Grundstücks eingetragen.
Zu entscheiden war die Frage, ob dieser Grundstückskaufvertrag wirksam war.
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof bejahte die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrags.
Zwar bedarf ein Vertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Jedoch wird gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.
Vor diesem Hintergrund stellte der Bundesgerichtshof fest, dass der Grundstückskaufvertrag zunächst unwirksam war, da das Beurkundete nicht dem Gewollten entsprach und somit ein nichtiges Scheingeschäft vorlag. Der Formmangel wurde jedoch mit der Eigentumsumschreibung auf den Käufer geheilt (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB).
Der Bundesgerichtshof sah keinen Anlass, die zu Werkverträgen ergangenen Entscheidungen auf den Fall von Grundstückskaufverträgen zu übertragen. Werden bei Werkverträgen Abreden getroffen, wonach die ganze oder einen Teil der Vergütung „ohne Rechnung“ gezahlt werden soll, liegt ein Verstoß gegen das Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz vor, was in der Regel die Nichtigkeit des gesamten Vertrags zur Folge hat. Bei Schwarzgeldabreden im Zusammenhang mit Grundstückskaufverträgen ist die Situation jedoch insofern eine andere, als es dem Staat hierbei um die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens (insbesondere Grunderwerbsteuer) geht. Mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz wird dagegen das Interesse der wirtschaftlichen Ordnung und des redlichen Wettbewerbs verfolgt. Laut dem Bundesgerichtshof rechtfertigt dieser unterschiedliche Schutzzweck die unterschiedliche rechtliche Bewertung.
Anders kann die Situation jedoch dann beurteilt werden, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist, was jedoch laut dem Bundesgerichtshof regelmäßig nicht der Fall sei, wenn der Leistungsaustausch, das heißt die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist.
Praxishinweis:
Ungeachtet der zivilrechtlichen Beurteilung sind Schwarzgeldabreden regelmäßig der erste Schritt zur strafbaren Steuerhinterziehung und auch deshalb in jedem Fall zu vermeiden. § 370 Abs. 1 AO sieht als Strafmaß Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen drohen sogar Haftstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§ 370 Abs. 3 AO).
Ungeachtet dessen besteht gemäß § 16a Abs. 1 GwG seit dem 01.04.2023 u.a. bei Immobilienkaufverträgen ein Barzahlungsverbot. Gegen diese Regelung verstoßende Barzahlungen haben keine Erfüllungswirkung. Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GwG kann der Zahlende in diesem Fall nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften des BGB die Herausgabe der Barzahlung verlangen.
Da der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall einen Sachverhalt betraf, der sich vor dem 01.04.2023 ereignet hatte, konnte offengelassen werden, ob ein Verstoß gegen das Barzahlungsgebot des § 16a GwG die Nichtigkeit des gesamten Grundstückskaufvertrags zur Folge hat. Das öffentliche Interesse an der Geldwäschebekämpfung könnte ein solches Ergebnis rechtfertigen.
Beitrag von Rechtsanwalt
Thilo Zagon
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