OLG München, Urteil vom 08.01.2025 – 7 U 1776/23 – Anmerkung von RA Thilo Zagon
Verhandeln Kaufleute einen Vertragsinhalt und fasst eine Partei den Inhalt später mindestens in Textform zusammen (sogenanntes kaufmännisches Bestätigungsschreiben), kommt ein Vertrag mit dem zusammengefassten Inhalt zu Stande, wenn die andere Partei nicht unverzüglich widerspricht. „Verhandlungen“ können auch über Messengerdienste wie WhatsApp geführt werden und das kaufmännische Bestätigungsschreiben kann sogar eine Rechnung sein, sodass es schnell zur Begründung eines Vertrags mit einem für eine Partei ungewollten Inhalt kommen kann.
Sachverhalt:
Zwei Unternehmer verhandelten über den Verkauf von zwei gebrauchten Toilettencontainern per WhatsApp. Im Anschluss übersandte der Verkäufer dem Käufer eine Rechnung. Eine der Leistungspositionen lautete: „Sechs WC … gebraucht“.
Die Rechnung wurde vom Käufer beglichen, allerdings waren die beiden Toilettencontainer bei Anlieferung jeweils nur mit fünf Wasserklosetts (WC) ausgestattet. Der Käufer erklärte nach erfolglosem Ablauf der von ihm gesetzten Nacherfüllungsfrist den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Entscheidung:
Das OLG München gab dem Käufer Recht.
„Zwischen den Parteien kam ein Kaufvertrag über die beiden streitgegenständlichen Container mit dem Inhalt der Rechnung der Beklagten vom 28.7.2021 (…) zustande. Diese Rechnung, der die Klägerin nicht widersprochen (sondern sich durch Zahlung des berechneten Kaufpreises zu eigen gemacht) hat, fasst die vorangegangenen Verhandlungen und Abreden per Wh.A. (…) zusammen und stellt somit ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar.“
Vereinbarte Beschaffenheit war damit die Ausstattung der beiden Toilettencontainer mit jeweils sechs WCs. Folgerichtig sah das OLG in dem Fehlen von zwei Toilettenschüsseln einen Sachmangel, der dem Käufer die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte eröffnete.
Praxishinweis:
Die Thematik betrifft viele Branchen, da sich die Art und Weise wie Vertragsparteien Verhandlungen führen und anschließend den Inhalt zusammenfassen, durch die Nutzung von E-Mail und Messengerdiensten allgemein erheblich geändert hat und künftig sicherlich noch weiter ändern wird.
Auch zwischen Mietvertragsparteien werden auf diese Weise nicht selten Vertragsänderungen begründet, was dann im Einzelfall wegen der bis zum 31.12.2024 bei befristeten Gewerbemietverhältnissen zu wahrenden Schriftform zur nachträglichen Unwirksamkeit der Befristungsabrede und damit zur vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit führt. Dieses Risiko ist trotz des mit der Einführung des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BGBl. 2024 I Nr. 323 vom 29.10.2024) seit dem 01.01.2025 geänderten Wortlauts des § 578 Abs. 1 BGB nicht beseitigt, da eine in der Form eines (einseitigen) kaufmännischen Bestätigungsschreibens begründete Mietvertragsänderung in den seltensten Fällen die jetzt (nur noch) zu wahrende Textform einhalten wird. Es gilt daher weiterhin, dass bei befristeten Gewerberaummietverhältnissen ganz besonders darauf geachtet werden sollte, dass nicht wegen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens eine formwidrige Nachtragsvereinbarung – die den künftigen Bestand des Mietverhältnisses gefährden würde – entsteht.

Beitrag von Rechtsanwalt
Thilo Zagon
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