05.07.2021

„Hohe Anforderungen an Bauplatz-Vergaberichtlinien nicht nur im Einheimischenmodell“

VG Sigmaringen, Beschl. v. 21.12.2020 – 7 K 3840/20

Sachverhalt

Eine Gemeinde beabsichtigte, mehrere Bauplätze in einem neuen Baugebiet zum Verkehrswert zu veräußern. Dazu stellte sie Vergaberichtlinien mit ortsbezogenen Kriterien (u.a. Hauptwohnsitz oder Bürgerrecht, Erwerbstätigkeit und Ehrenamt in der Gemeinde) und sozialbezogenen Kriterien (u.a. Familienstand, Anzahl und Alter der Kinder, pflegebedürftige Angehörige) in einem Punktesystem auf. Bereits bestehendes Eigentum an Wohnimmobilien oder bebaubaren Grundstücken führten zu Punktabzügen. Makler, Bauträger und andere waren nicht zum Verfahren zugelassen. Die Vergabe sollte ausschließlich online über die Plattform „Baupilot“ erfolgen. Ein unterlegener Bewerber beantragte, der Gemeinde den Verkauf der Grundstücke zu untersagen.

Entscheidung

Mit Erfolg. Das VG Sigmaringen hatte in zwei vorausgehenden Entscheidungen Verletzungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes und der Regelungen über die Befangenheit moniert. In dem Beschluss vom 21.12.2020 setzt es sich inhaltlich mit den Anforderungen aus Art. 3 GG und dem europarechtlichen Nichtdiskriminierungsgebot an den Verkauf von gemeindeeigenen Grundstücken Bauplatzvergaberichtlinien auseinander. Es fordert nicht nur ein transparentes, sachgerechtes und datenschutzkonformes Verfahren. Insofern sei es unzumutbar, wenn Bewerber sensible Daten auf eine Internet-Plattform hochladen müssten. Auch an die Bestimmtheit stellt es hohe Anforderungen: Jeder Bewerber müsste aus den Richtlinien selbst erkennen können, welche Chancen seine Bewerbung hat. So sei beispielsweise bei dem Ausschluss von Maklern von dem Vergabeverfahren unklar, ob sich ein Makler privat auf ein Grundstück bewerben dürfte. Sachfremd sei u.a. die Gleichstellung von Hauptwohnsitz und Bürgerrecht und die damit einhergehende Bevorzugung des nicht im Ort wohnenden Bürgermeisters. Ob die Bevorzugung einheimischer Bewerber durch die soziale Zielsetzung in der Ausgestaltung der Vergaberichtlinie gerechtfertigt ist, zweifelte das Gericht an: Zwar konnten theoretisch zumindest gleich viele Punkte für soziale wie für ortsbezogene Kriterien erreicht werden, tatsächlich hätten Auswärtige aber aufgrund der konkreten Ausgestaltung kaum eine Chance auf einen Bauplatz.

Fazit

Die Entscheidung geht in Teilen zwar über das Ziel hinaus: Warum soll bei Unschärfen der Richtlinien – wie sonst auch bei Art. 3 GG – eine abwägende und sachlich begründete Entscheidung über eingegangene Bewerbungen nicht ausreichen? Rechtssichere Vergaben werden so fast unmöglich gemacht. Der Beschluss zeigt aber zu Recht auf, dass Entscheidungen über die Vergabe von immer knapperem Bauland transparent ausgestaltet sein müssen und vor Gericht nachprüfbar sind. Bei der Entscheidung über den Verkauf gemeindlicher oder städtischer Grundstücke ist daher ein hohes Maß an Sorgfalt geboten – gleich ob eine Wohnnutzung oder eine gewerbliche Nutzung beabsichtigt ist.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 3 Abs. 1 GG: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Art. 18 AEUV: Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Beitrag von Rechtsanwalt
Dr. Peter Neusüß

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