Beitrag von Rechtsanwältin Dr. Lena Kühnbach
VGH BW, Beschl. v. 15.02.2022 – PL 15 S 2537/21
Die turnusmäßigen Personalratswahlen vorzubereiten, ist ein erheblicher Aufwand, der von Beschäftigten der Dienststelle als Wahlvorstand neben der normalen Tätigkeit zu bewältigen ist. Das wegen einer erfolgreichen Wahlanfechtung vorzeitig wiederholen zu müssen, ist kein Vergnügen und belastete Dienststellen erheblich. Grund genug, das Verfahren so rechtssicher zu gestalten, dass eine etwaige Wahlanfechtung keinen Erfolg hat. Der VGH BW hat nun in einer Entscheidung vom 15.02.2022 – VGH PL 15 S 2537/21 – für die Protokollierung der Sitzungen des Wahlvorstands erstmals strenge Anforderungen formuliert, die über eine übliche Sitzungsniederschrift hinausgehen. Das sollte jeder Wahlvorstand wissen und beachten, um keine Grundlage für Wahlanfechtungen zu legen.
Rechtliche Vorgaben für die Protokollierung der Sitzungen des Wahlvorstands
Nach § 19 der Wahlordnung zum Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg (LPVGWO-BW) muss der Wahlvorstand über bestimmte, enumerativ aufgezählte Sitzungen eine Niederschrift anfertigen, die von sämtlichen Mitgliedern des Wahlvorstands unterzeichnet werden muss. Zu den protokollierungsbedürftigen Sitzungen gehört insbesondere auch die Sitzung, in welcher die Zahl der nach § 10 Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg (LPVG-BW) zu wählenden Personalratsmitglieder ermittelt wird. Bei der Ermittlung der Zahl der zu wählenden Personalratsmitglieder muss der Personalrat nach § 10 Abs. 5 LPVG-BW i. V. m. § 5 LPVGWO-BW eine Prognose über die zum Stichtag absehbare Zahl der Beschäftigten treffen, die voraussichtlich über die Hälfte der Amtszeit des Personalrats in der Dienststelle vorhanden sein werden.
Entscheidung
Der VGH Mannheim hat die Protokollierungspflicht aus § 19 LPVGWO-BW nunmehr dahingehend ausgelegt, dass sich – aus Gründen des Nachweises und einer ggf. erforderlichen gerichtlichen Kontrolle – aus der Niederschrift nicht nur das Ergebnis der Entscheidungsfindung ergeben darf, sondern die Niederschrift auch Aufschluss zumindest über die wesentlichen Kennzahlen und das Prognosematerial geben muss, die der Wahlvorstand seiner Prognose nach § 5 LPVGWO-BW über die voraussichtliche Zahl der Beschäftigen zugrunde gelegt hat. Es reicht dabei aus, wenn die wesentlichen Kennzahlen und das Prognosematerial der Sitzungsniederschrift als Anlage beifügt werden.
Konsequenzen
Diese Pflicht zur Dokumentation der Grundlagen der Prognoseerwägungen hat weitreichende Konsequenzen, da der VGH BW die Pflicht zur Erstellung einer solchen Sitzungsniederschrift zugleich als wesentliche Wahlvorschrift angesehen und auch angenommen hat, dass ein Protokollierungsmangel das Wahlergebnis beeinflussen kann. Damit kann eine unzureichende Sitzungsniederschrift unmittelbar die Wahlanfechtung begründen.
Auch wenn insbesondere die Annahme eines kausalen Durchschlags auf das Wahlergebnis nur schwer nachvollziehbar ist und es wünschenswert gewesen wäre, wenn die Entscheidung einer letzten Kontrolle durch das BVerwG unterzogen worden wäre, setzt sie nun neue Standards für die Protokollierung der Sitzungen des Wahlvorstands nach § 19 LPVGWO-BW. Das gilt insbesondere für Dienststellen, deren Beschäftigtenzahl sich im Grenzbereich einer der Schwellen aus § 10 Abs. 3 LPVG-BW bewegt.
Noch nicht absehbar ist, inwiefern die Entscheidung auf die anderen in § 19 LPVGWO-BW genannten Sitzungen übertragen werden wird, so dass auch für diese erhöhte Dokumentationsanforderungen zu beachten sind.
§ 19 LVPGWO-BW
Sitzungsniederschriften
Der Wahlvorstand fertigt über jede Sitzung, in der über die Anlegung des Wählerverzeichnisses (§ 6 Absatz 2 Satz 2 und 3), die Ermittlung der Zahl der zu wählenden Personalratsmitglieder (§ 10 des Gesetzes [=LVPG]) und die Verteilung der Personalratssitze auf die Gruppen (§ 7) sowie die anteilige Vertretung nach Geschlechtern (§ 8), über Einsprüche gegen das Wählerverzeichnis (§ 6 Absatz 5 und 6), über die Zulassung oder Reihenfolge von Wahlvorschlägen (§§ 15, 16 Absatz 3 und § 17) oder über die Gewährung von Nachfristen (§ 16) entschieden wird, eine Niederschrift. Sie soll von sämtlichen Mitgliedern des Wahlvorstands unterzeichnet werden.
§ 5 LVPGWO-BW
Feststellung der zahl der Beschäftigten und der Anteile der Geschlechter
Der Wahlvorstand stellt die Zahl der in der Regel Beschäftigten und ihre Verteilung auf die Gruppen (§ 4 Absatz 3 und 4 des Gesetzes) sowie die Anteile von Frauen und Männern an den in der Regel Beschäftigten und in den Gruppen fest. Maßgebend für die Feststellungen ist der zehnte Arbeitstag vor Erlass des Wahlausschreibens. Der Wahlvorstand legt dabei den zu dem Stichtag absehbaren Beschäftigtenstand zugrunde, der voraussichtlich über die Hälfte der Amtszeit des Personalrats in der Dienststelle vorhanden sein wird. Übersteigt die Zahl der in der Regel Beschäftigten 50 nicht, stellt der Wahlvorstand außerdem die Zahl der wahlberechtigten Beschäftigten fest.
§ 10 LVPG-BW
Bildung von Personalräten, Zahl der Mitglieder
(3) Der Personalrat besteht in Dienststellen mit in der Regel
5 bis 14 wahlberechtigten Beschäftigten | aus einer Person, |
15 wahlberechtigten Beschäftigten bis 50 Beschäftigten | aus drei Mitgliedern, |
51 bis 150 Beschäftigten | aus fünf Mitgliedern, |
151 bis 300 Beschäftigten | aus sieben Mitgliedern, |
301 bis 600 Beschäftigten | aus neun Mitgliedern, |
601 bis 1000 Beschäftigten | aus elf Mitgliedern, |
1001 bis 1500 Beschäftigten | aus 13 Mitgliedern, |
1501 bis 2000 Beschäftigten | aus 15 Mitgliedern, |
2001 bis 3000 Beschäftigten | aus 17 Mitgliedern, |
3001 bis 4000 Beschäftigten | aus 19 Mitgliedern, |
4001 bis 5000 Beschäftigten | aus 21 Mitgliedern, |
5001 bis 7500 Beschäftigten | aus 23 Mitgliedern, |
7501 bis 10000 Beschäftigten | aus 25 Mitgliedern, |
10001 und mehr Beschäftigten | aus 27 Mitgliedern. |
(5) Maßgebend für die Ermittlung der Zahl der Mitglieder des Personalrats ist der zehnte Arbeitstag vor Erlass des Wahlausschreibens. Der Wahlvorstand legt dabei den zu dem Stichtag absehbaren Beschäftigtenstand zugrunde, der voraussichtlich über die Hälfte der Amtszeit des Personalrats in der Dienststelle vorhanden sein wird.
Beitrag von Rechtsanwältin
Dr. Lena Kühnbach
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