04.08.2023

BauGB-Digitalisierungsnovelle in Kraft getreten

Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß

Zum 07.07.2023 ist die Digitalisierungsnovelle des BauGB in Kraft getreten. Sie verlagert die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bauleitverfahren nicht nur regelhaft ins Internet, sondern enthält auch viele weitere Änderungen, insbesondere:

  • Erleichterungen bei der erneuten Offenlage,
  • Verringerung der Genehmigungsfrist für Flächennutzungspläne von drei auf einen Monat.
  • Privilegierung für sogenannte Agri-PV-Hofanlagen,
  • Verlängerung der Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte,
  • weitreichende Abweichungsmöglichkeiten für den Wiederaufbau im Katastrophenfall.

Digitalisierung der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung:

Kernstück der Novelle ist die Digitalisierung der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung durch Änderung des § 3 Abs. 2 BauGB. Die Veröffentlichung im Internet ist nunmehr der Regelfall. Zusätzlich sind aber weitere „leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten“ zu schaffen, etwa durch eine klassische Auslegung oder öffentlich zugängliche Lesegeräte. Welche Anforderungen an solche Lesegeräte und ihre Bedienung gestellt werden, wird sich zeigen – die klassische Auslegung dürfte hier zunächst der rechtssichere Weg sein. 

Die Bekanntmachung hat weiterhin ortsüblich zu erfolgen und ist zusätzlich in das Internet einzustellen. Der Inhalt der Bekanntmachung ist entsprechend anzupassen.

Einwendungen sollen auf elektronischem Weg übermittelt werden, „bei Bedarf“ aber auch auf anderem Weg. Da ohnehin keine Präklusion besteht, dürfte es nicht darauf ankommen, ob der Bedarf bei schriftlicher Einreichung nachzuweisen ist.

Die Behördenbeteiligung „soll“ ebenfalls elektronisch erfolgen.

Nachdem eine Veröffentlichung im Internet bereits nach dem Plansicherungsgesetz aufgrund der Corona-Kriese möglich war, wird sich durch die Neuregelung in der Praxis nicht viel ändern.

Erleichterungen bei der erneuten Offenlage:

Lange Verfahrensdauern von Bauleitverfahren werden häufig durch das Erfordernis erneuter Offenlagen bedingt. Diese Notwendigkeit hat der Gesetzgeber nunmehr leicht eingeschränkt, für den Fall, dass offensichtlich ist, dass die Änderung oder Ergänzung nicht zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen führt.  Die Änderung dient nach der Gesetzbegründung der Klarstellung und wird in der Praxis nur wenige Fälle betreffen, in denen eine erneute Offenlage nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts („reine Förmelei“) bereits keine neue Offenlage erforderlich war. 

Ist eine erneute Offenlage durchzuführen, so „ist in Bezug auf die Änderung oder Ergänzung und ihre möglichen Auswirkungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben“. Werden die Grundzüge der Planung nicht berührt, so „soll“ die Einholung auf die geänderten oder ergänzten Teile beschränkt werden, es sei denn, die Beschränkung führt zu einer längeren Verfahrensdauer. Aus der früheren „kann“-Regelung ist damit zumindest eine „soll“-Regelung geworden. 

Wichtig: Weiterhin müssen aus der Bekanntmachung oder den Planunterlagen ersichtlich sein, welche Teile geändert wurden.

Der neue § 4a Abs. 6 BauGB verweist – nach der Gesetzesbegründung „deklaratorisch“ zur Digitalisierung des Bauleitverfahrens im Übrigen auf die Beschlüsse des IT-Planungsrats. Die Formulierung erscheint zwar als zwingende Vorgabe. Da eine Verletzung aber keinen beachtlichen Fehler darstellt, wird sich diese Frage in der Praxis voraussichtlich kaum stellen.

Reduzierung der Genehmigungsfrist für Flächennutzungspläne:

Die Reduzierung der Genehmigungsfrist für Flächennutzungspläne, die nach § 245f BauGB zwingend auch auf laufende Verfahren anzuwenden ist, wird tatsächlich zu einer Beschleunigung führen, da nach Fristablauf der Flächennutzungsplan als genehmigt gilt und die Vorschrift auf die Genehmigung von Bebauungsplänen insbesondere im Parallelverfahren entsprechend anzuwenden ist.

Privilegierung von Agri-PV-Anlagen:

Im Huckepack-Verfahren wurde eine weitere Privilegierung für PV-Anlagen aufgenommen. Nach der Privilegierung von PV-Anlagen entlang von Autobahnen und Schienenwegen wurden nunmehr sogenannte Agri-PV-Anlagen in § 35 Abs. 1 BauGB aufgenommen. Zulässig allerdings nur im räumlich-funktionalen Zusammenhang einer Hofstelle, bis zu einer Grundfläche von 25.000 Quadratmetern und pro Hofstelle nur eine Anlage. 

Welche Folgen sich hieraus für Projektentwickler und Kommunen ergeben, dazu gibt Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß am 22.09.2023 beim vhw ein Webinar.

Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte:

Die Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte wurden – wieder einmal – verlängert. Hier wird sich langfristig die Frage stellen, ob nicht zumindest einige Regelungen verstetigt werden, anstatt die Sonderregelungen immer wieder zu verlängern.

Wiederaufbau im Katastrophenfall:

§ 246c BauGB wurde im Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet. Er war für die Folgen des Ahr-Hochwassers geschaffen worden. Nunmehr gibt er den Ländern im Katastrophenfall weitgehende Abweichungsbefugnisse.

Ausführlich hat sich Rechtsanwalt Dr. Neusüß als Berichterstatter im Rahmen der Stellungnahme des DAV-Verwaltungsrechtsausschuss mit dem ursprünglich – deutlich abweichenden – Entwurf der Vorschrift befasst. 

Maßgebliche Vorschriften:

§ 3 Abs. 2 BauGB:

„Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch für die Dauer von 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet zu veröffentlichen. Zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet nach Satz 1 sind eine oder mehrere andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte oder durch eine öffentliche Auslegung der in Satz 1 genannten Unterlagen, zur Verfügung zu stellen. Die nach § 4 Absatz 2 Beteiligten sollen von der Veröffentlichung im Internet auf elektronischem Weg benachrichtigt werden. Die Internetseite oder Internetadresse, unter der die in Satz 1 genannten Unterlagen eingesehen werden können, die Dauer der Veröffentlichungsfrist sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind vor Beginn der Veröffentlichungsfrist ortsüblich bekannt zu machen; in der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, 

1. dass Stellungnahmen während der Dauer der Veröffentlichungsfrist abgegeben werden können,

2. dass Stellungnahmen elektronisch übermittelt werden sollen, bei Bedarf aber auch auf anderem Weg abgegeben werden können,

3. dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können und

4. welche anderen leicht zu erreichenden Zugangsmöglichkeiten nach Satz 2 bestehen.

Der Inhalt der Bekanntmachung ist zusätzlich in das Internet einzustellen; die nach Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen und der Inhalt der Bekanntmachung sind über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen. Die fristgemäß abgegebenen Stellungnahmen sind zu prüfen; das Ergebnis ist mitzuteilen. Haben mehr als 50 Personen Stellungnahmen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt abgegeben, kann die Mitteilung dadurch ersetzt werden, dass diesen Personen die Einsicht in das Ergebnis ermöglicht wird; die Stelle, bei der das Ergebnis der Prüfung während der Dienststunden eingesehen werden kann, ist ortsüblich und über das Internet bekannt zu machen. Bei der Vorlage der Bauleitpläne nach § 6 oder § 10 Absatz 2 sind die nicht berücksichtigten Stellungnahmen mit einer Stellungnahme der Gemeinde beizufügen.“

§ 4a Abs. 3 BauGB:

Wird der Entwurf des Bauleitplans nach dem Verfahren nach § 3 Absatz 2 oder § 4 Absatz 2 geändert oder ergänzt, ist er erneut nach § 3 Absatz 2 im Internet zu veröffentlichen und sind die Stellungnahmen erneut einzuholen, es sei denn, die Änderung oder Ergänzung führt offensichtlich nicht zu einer erstmaligen oder stärkeren Berührung von Belangen. Ist der Entwurf des Bauleitplans erneut zu veröffentlichen, ist in Bezug auf die Änderung oder Ergänzung und ihre möglichen Auswirkungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; hierauf ist in der erneuten Bekanntmachung nach § 3 Absatz 2 Satz 4 hinzuweisen. Die Dauer der Veröffentlichungsfrist im Internet und der Frist zur Stellungnahme soll angemessen verkürzt werden. Werden durch die Änderung oder Ergänzung des Entwurfs des Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt, soll die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden, es sei denn, diese Beschränkung führt nach Einschätzung der Gemeinde zu einer längeren Verfahrensdauer.

§ 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB:

Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

9. der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: 

a) das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,

b) die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und

c) es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

§ 246c BauGB

Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß

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