27.11.2024

Abstandsflächenrechtliche Erleichterungen

ein Beitrag von Peter Neusüß und Shirin El-Aklok

Das Abstandsflächenrecht soll nach dem Gesetzesentwurf in unterschiedlicher Weise modifiziert werden.

1. Teils keine Baulast im unbeplanten Innenbereich

§ 5 Abs. 1 S. 3 LBO wird neu gefasst:

Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist nicht erforderlich, wenn nach einer festgesetzten oder in der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 des Baugesetzbuchs vorhandenen Bauweise unabhängig von der Bebauung auf dem Nachbargrundstück an die Grenze gebaut werden darf.“

Damit soll für die Fälle, in denen an die Grundstücksgrenze gebaut werden darf (aber nicht muss) auf das zusätzliche Erfordernis der öffentlich-rechtlichen Sicherung auch im unbeplanten Innenbereich verzichtet werden. Bislang galt diese Regelung nur für entsprechende Festsetzungen in Bebauungsplänen. Wie im ungeplanten Innenbereich mit einer ungeordneten Bauweise, häufig in historisch bebauten Teilen anzutreffen, umzugehen ist, war offen. Mit der Klarstellung werden dort Nachverdichtungen im Innenbereich erleichtert.

2. Berechnung der Wandhöhe, § 5 Abs. 5 LBO

§ 5 Abs. 5 LBO wird neu gefasst, wie nachfolgend hervorgehoben:

„Auf die Wandhöhe werden angerechnet

  1. die Höhe von Dächern oder Dachaufbauten mit einer Neigung von mehr als 70° voll und von mehr als 45° zu einem Viertel,
  2. die Höhe einer Giebelfläche zu einem Viertel [statt bisher: zur Hälfte des Verhältnisses, in dem ihre tatsächliche Fläche zur gedachten Gesamtfläche einer rechteckigen Wand mit denselben Maximalabmessungen steht]; die Giebelfläche beginnt an der Horizontalen durch den untersten Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut,
  3. bei Windenergieanlagen nur die Höhe bis zur Rotorachse, wobei die Tiefe der Abstandsfläche mindestens der Länge des Rotorradius entsprechen muss.

Auf die Wandhöhe werden nicht angerechnet

  1.  die Aufstockung um bis zu zwei Geschosse, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt,
  2. das Anbringen oder Aufstellen von Anlagen zur photovoltaischen oder thermischen Solarnutzung auf Dächern bis zu einer Anlagenhöhe von 1,5m,
  3. die nachträgliche Dämmung des Daches bis zu einer Dicke von 0,30 m.

Damit werden die Regelungen zur Anrechnung von Giebelflächen deutlich vereinfacht, die Regelungen für Dämmung und Solaranlagen, die zuvor in Absatz 6 geregelt waren, systematisch in Abs. 5 zusammengezogen.

3. Abweichungen, § 56 Abs. 2 LBO

Des Weiteren werden die Tatbestände für Abweichungen von den §§ 4 bis 37 LBO und damit auch von den Abstandsflächenvorgaben aus §§ 5, 6 LBO erweitert.

In § 56 Abs. 2 Nr. 1 sind bisher Abweichungen zuzulassen, unter anderem zur „Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung Aufstockung oder Änderung des Daches, wenn die Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt“, wenn die Abweichung mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Das Wort „zusätzlich“ soll gestrichen werden. Die bisherige Regelung erfasste nur Gebäude, in denen bereits Wohnraum vorhanden war. Durch die Streichung werden nunmehr auch Gebäude erfasst, in denen bisher kein Wohnraum vorhanden ist.

Außerdem wird § 56 Abs. 2 durch eine Nr. 5 ergänzt. Demnach sind Abweichungen zuzulassen

„zur Ersetzung eines rechtmäßig errichteten Gebäudes an gleicher Stelle durch ein Gebäude höchstens gleicher Abmessung in Bezug auf Abweichungen von den Anforderungen des § 5“

Dadurch verliert ein Bestandsgebäude im Falle des vollständigen Abrisses hinsichtlich der Abstandsflächen nicht seinen Bestandsschutz, wenn es höchstens in gleicher Abmessung wieder errichtet wird. In der Praxis wurden solche Gebäude häufig kernsaniert, was deutlich teurer war als Abriss und Neubau. Mit der Neuregelung wird dies nun vereinfacht.


Beitrag von Rechtsanwalt 

Dr. Peter Neusüß

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Beitrag von Rechtsanwältin
Shirin El-Aklok

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