20.10.2023

Wer sich als Bauherr geriert, muss sich als solcher behandeln lassen

OVG NRW, Beschluss vom 29.08.2023 – 7 A 1142/22

Sachverhalt:

Die Beklagte verfügte mit Ordnungsverfügung vom 11.04.2019 gegenüber dem Kläger, den Betrieb einer Westernreitschule und einer Pensionspferdehaltung im rückwärtigen Bereich seines landwirtschaftlichen Hofs einzustellen.

Der Kläger wandte hiergegen ein, er sei nicht Betreiber und somit kein tauglicher Adressat der Nutzungsuntersagung. Vielmehr sei er nur Trainer und Lehrer auf der Ranch. Betreiber sei seine Ehefrau. Ihr würden die Betriebsmittel gehören, sie habe das Gewerbe angemeldet, die Einkünfte versteuert, Verträge mit Reitschülern und Einstellern abgeschlossen, Futter und Betriebsmittel beschafft und ihn sowie andere Arbeitnehmer angestellt. Er selbst habe nie behauptet Betreiber des Hofes zu sein, sondern habe jede Erklärung hierzu vermieden. Die Beklagte habe im Rahmen der Amtsermittlungspflicht den richtigen Betreiber ermitteln müssen.

Baurechtsbehörde und Verwaltungsgericht nahmen hingegen eine Pflichtigkeit des Klägers an. Es habe auf die Betreibereigenschaft vertraut werden dürfen, da er als Ranch-Verantwortlicher aufgetreten sei: Bei einem Ortstermin hat er Auskünfte über die Gebäude erteilt. Auf die an ihn gerichtete Anhörung hat er reagiert, ohne seine Betreibereigenschaft zu negieren. Zudem weist die statische Berechnung der Pferdeboxen ihn als Bauherrn aus. Auch im Klageverfahren wurde die Betreibereigenschaft seiner Ehefrau nie erwähnt und habe der Prozessbevollmächtigte zu der „von dem Kläger betriebenen“ Reitschule vorgetragen. 

Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. 

Die Behörde durfte angesichts des Verhaltens des Klägers zurecht auf die Betreibereigenschaft des Klägers vertrauen, da dieser sich als solcher gerierte. Zur Begründung verwies das Gericht auf die Grundsätze zur Anscheinsstörerhaftung aus dem Polizei- und Ordnungsrecht, die auch im Bauordnungsrecht entsprechend anwendbar sind.

Derjenige, der nach außen als Bauherr auftrete und insbesondere bei seiner Anhörung nie auf seine mangelnde Betreibereigenschaft hinweise, dürfe als Ordnungspflichtiger eingestuft werden, solange kein Grund bestünde, an dieser Eigenschaft zu zweifeln.

Die Behörde habe auch nicht ihre aus § 24 VwVfG folgende Amtsermittlungspflicht, den richtigen Adressaten zu bestimmen, verletzt. Die Aufklärungspflicht finde dort ihre Grenze, wo ein Beteiligter zu für ihn positiven Umständen nicht vorträgt, obwohl ihm die Bedeutung für das Verfahren bewusst sei und die Aufklärung von ihm erwartet werden kann, weil es sich um Umstände handele, die die Behörde nicht ohne Weiteres festzustellen vermag. 

Fazit:

Im Umgang mit Behörden gilt frühzeitig darüber aufzuklären, wenn man nicht der richtige Adressat einer Ordnungsverfügung ist. Der Amtsermittlungsgrundsatz hat nicht zur Folge, dass die Behörde einer dem Zivilrecht vergleichbaren Darlegungs- und Beweislast unterliegt. Vielmehr treffen die Beteiligten Mitwirkungsobliegenheiten. Nimmt der Adressat diese nicht wahr kann er im Sinne eines Anscheinsstörer ebenfalls als Adressat einer Ordnungsverfügung herangezogen werden. 

Der Beschluss dürfte Bauherren und Dritten als Warnung dienen, mit der Behörde zusammenzuarbeiten.

Maßgebliche Vorschriften: 

24 Abs. 1 und 2 VwVfG 

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

§ 26 Abs. 2 VwVfG 

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weiter gehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist. Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft auf solche Fragen, zu deren Beantwortung er durch Rechtsvorschrift verpflichtet ist, verweigern, wenn deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

Beitrag von Rechtsanwalt Philipp Rinke

Vita, Veröffentlichungen & Co.:

Hier lesen Sie mehr über Philipp Rinke