Vertreten wurden die zwölf Landwirte von Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß.
Zwölf Landwirte klagten gegen die Erweiterung des Vogelschutzgebiets Bremgarten und haben Erfolg. Das Urteil erging im Anschluss an die mündliche Verhandlung des 5. Senats vom 1. Juli 2021. Vertreten wurden die Landwirte von Dr. Peter Neusüß
(Sparwasser & Schmidt Rechtsanwälte, Mozartstr. 48, 79104 Freiburg).
Sachverhalt
2017 ist die Verordnung zur Erweiterung des Vogelschutzgebiets Bremgarten in Kraft getreten, um den Triel unter Schutz zu stellen. Der Triel war in den Jahren zuvor nach langer Zeit erstmals wieder in Baden-Württemberg gesichtet worden. Die Verordnung ist zum Schutz des Triels aber nicht erforderlich, basiert auf ungesicherten Grundlagen, irrigen Annahmen zum Schutzgebiet – und ist rechtlich nicht geboten. Gleichzeitig werden Landwirten dieses landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebiets erheblicher Verwaltungsaufwand und Kosten auferlegt. Gegen die vom Regierungspräsidium Freiburg erlassene Verordnung haben zwölf Landwirte daher bereits 2018 Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gestellt.
Die Klage hat Erfolg
Das Urteil erging im Anschluss an die mündliche Verhandlung des 5. Senats vom 1. Juli 2021. Die Verordnung zur Gebietserweiterung ist für unwirksam erklärt worden. Nach Eindruck aus der mündlichen Verhandlung stütz der VGH seine Entscheidung maßgeblich auf die Punkte unzureichende Untersuchung und die Unterschutzstellung weiterer Vogelarten.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg teilt dazu mit:
„Auf den Normenkontrollantrag von insgesamt 12 Landwirten mit Eigentums- und Pachtflächen in dem Erweiterungsgebiet hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) festgestellt, dass die 1. Verordnung des Regierungspräsidiums Freiburg zur Änderung der Anlagen der Verordnung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zur Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten vom 26. Juli 2017 unwirksam ist, mit welcher das bislang schon bestehende „Vogelschutzgebiet Bremgarten“ zum Schutz des Triels und anderer Vogelarten von 520 ha auf 1.694 ha erweitert wurde.
Das Urteil erging im Anschluss an die mündliche Verhandlung des 5. Senats vom 1. Juli 2021. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden (Az.: 5 S 1770/18).“
Quelle: VGH Baden-Württemberg
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Die Badische Bauern Zeitung berichtet am 10. Juli ebenfalls über den Erfolg der Landwirte vor dem VGH Mannheim.
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Der VGH Baden-Württemberg schloss sich offensichtlich in weiten Teilen der von Dr. Peter Neusüß vorgebrachten Argumentation der Kläger an. In der mündlichen Verhandlung bemängelte er insbesondere, dass die wissenschaftliche Basis und Dokumentation für eine Ausweisung eines Gebiets dieser Größe für den Triel fehle. Gänzlich vermisste er eine belastbare Begründung dafür, dass in der Erweiterungsfläche von über 1000 ha auch andere Vögel als der Triel unter Schutz gestellt werden sollten.
Als Hintergrundinformationen geben wir eine vor der mündlichen Verhandlung verfasste Pressemitteilung der Kläger wieder:
Schutz der Brutstätte ausreichend
Die Landwirte begrüßen ausdrücklich den Schutz der Brutstätten des Triels, der in den vergangenen Jahren bereits unbürokratisch und erfolgreich umgesetzt wurde.
Durch die Verordnung wird dieser Schutz nicht relevant erhöht. Die Verordnung führt vielmehr bei den Landwirten zu erheblichem Verwaltungsaufwand und Kosten. Diese müssen nunmehr bei jeder erheblichen Veränderung prüfen lassen, ob dadurch der Triel und viele andere durch die Verordnung geschützte Vögel beeinträchtigt sein könnten. Ein anderer Fall, in denen landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen in ein Vogelschutzgebiet einbezogen wurden, ist nicht bekannt. Die Diskussionen um das Insektenschutzgesetz zeigen, dass durch die Ausweisung als Vogelschutzgebiet zukünftig weitere Einschränkungen zu erwarten sind.
Untersuchungen ungenügend
Jedenfalls hätte die Erweiterung auf die Flächen begrenzt werden müssen, in denen der Triel nachweislich gesichtet wurde und/oder gebrütet hat. Dies ist nur ein kleiner Teil des 1.167 ha großen Erweiterungsgebiets. Für weite Teile des Gebiets stützt sich das Regierungspräsidium hingegen auf nicht wissenschaftlich dokumentierte, einmalige Beobachtungen teilweise eines einzigen (Balz-)Rufs. Eine Vogelschutzgebietsverordnung kann aber nur auf wissenschaftlich fundierte und ausreichend nachgewiesene Beobachtungen gestützt werden.
Der Triel braucht steinige Böden, da er unter Steinen seine Nahrung findet und sein Gelege damit tarnt. Diese sind aber – wie die Landwirte durch ein eigenes Gutachten nachgewiesen haben – nur in einem Teil des Erweiterungsgebiets vorhanden, es wurden also für den Triel ungeeignete Flächen ausgewiesen. Auch dies zeigt die unzureichende Untersuchung des Erweiterungsgebiets vor Erlass der Verordnung.
Gebietsausweisung unverhältnismäßig groß
Das Regierungspräsidium hält nach vorliegenden Informationen eine Ausgleichsfläche zur Ansiedlung des Triels von maximal 10 ha pro Brutpaar für ausreichend. Ziel ist die Ansiedlung von zwei Brutpaaren im Gebiet. Demnach wäre also eine Fläche von 20 ha erforderlich.
Die Ausweisung von 1.167 ha ist demgegenüber unverhältnismäßig. Ein kleineres Gebiet hätte aber wohl die Ausbaupläne der Bahn stärker betroffen, da die neue Rheintaltrasse unmittelbar an nachgewiesenen Brutstätten des Triels entlang führt. Die Landwirte befürchten, dass die unverhältnismäßig große Ausweisung zugunsten der Bahn und zu ihren Lasten erfolgt ist.
Schutz auch für zehn weitere Vogelarten
Im bestehenden Vogelschutzgebiet standen zehn Vogelarten unter Schutz. Deren Schutz war damit ausreichend gewährleistet. Mit der Erweiterung für den Triel wurde auch der Schutz dieser Vogelarten auf die neue Fläche ausgedehnt, die Schutzfläche für diese Vögel damit verdreifacht. Eine nachvollziehbare Begründung dafür ist nicht ersichtlich. Der Schutz auch dieser Vogelarten ist aber mit Arbeit und Kosten für die Landwirte verbunden: Sie müssen nunmehr auch für diese Vögel nachweisen, dass sie durch Veränderungen nicht beeinträchtigt werden.
Die Landwirte fragen sich, warum nicht ein kleines eigenständige Vogelschutzgebiet ausschließlich für den Triel ausgereicht hätte.
Herausnahme von Flächen nicht nachvollziehbar
Auf Druck einzelner Personen wurden Flächen aus der einstigen Gebietskulisse ohne sachlichen Grund herausgenommen. Die angeblich dort nur angebauten Sonderkulturen finden sich in anderen Randgebieten auch.
Rechtliche Begründung nicht stichhaltig
Der Schutz des Triels ist durch das in unmittelbarer Nähe befindliche Vogelschutzgebiet „Hardt“ in Frankreich sichergestellt. Da die Population dort wächst, weichen offenbar einige Brutpaare in angrenzende Gebiete aus. Eine Erweiterung eines Schutzgebiets ist aufgrund dieser erfreulichen Entwicklung nicht erforderlich und steht jenseits der Grenze auch nicht zur Diskussion – der Schutz des Triels funktioniert in Europa so gut, dass er in die Kategorie „nicht gefährdet“ eingeordnet wurde. Allein aufgrund der Staatsgrenze soll in Bremgarten – europarechtlich zwingend – etwas anderes gelten, so das Regierungspräsidium:
Ein Vogelschutzgebiet für den Triel müsse auch in Deutschland ausgewiesen werden. Europarecht unterscheidet aber nicht nach der Staatsgrenze – der Triel auch nicht.
Er fliegt vom französischen Vogelschutzgebiet genauso nach Bremgarten wie in jede andere Richtung auch. Gerade Europarecht muss diese Sachverhalte gleich behandeln.
Ein Vertreter der EU-Kommission hatte dem Land dementsprechend bereits vor Erlass der Verordnung bestätigt, dass aus europarechtlicher Sicht eine Ausweisung des Vogelschutzgebiets nicht geboten ist. Wie die Einsichtnahme in Akten des Umweltministeriums zeigte, wurde diese Aussage der Öffentlichkeit im Verfahren bewusst vorenthalten.