06.03.2023

VOB/B-Nachträge können auch ohne Einigung über die Vergütungshöhe gemäß § 650f BGB abgesichert werden.

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Moritz Schmid

BGH, Urt. v. 20.10.2022 – VII ZR 154/21

Sachverhalt:

Die Regelung gemäß § 650f Abs. 1 S. 1 BGB geht davon aus, dass der Auftragnehmer im Rahmen eines Bauvertrages Sicherheit auch für die in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht bezahlte Vergütung verlangen kann. Der BGH befasst sich mit der Frage, ob Ansprüche des Auftragnehmers bei Änderungsanordnungen des Auftragsgebers aus §§ 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B von der Regelung des § 650f BGB umfasst sind, wenn keine separate Vereinbarung über die Höhe derzusätzlichen Vergütung zustande kommt. Bei Änderungsanordnungen wird die Vergütungsanpassung nämlich gerade auch ohne Vereinbarung über die Vergütungshöhe gesetzlich angeordnet.

Entscheidung:

Auch ohne zusätzliche Vereinbarung zur Vergütungshöhe kann der Auftragnehmer eine Sicherheit für den durch ein Änderungsverlangen des Auftraggebers ausgelösten Vergütungsanspruch verlangen. Ein solcher Anspruch ist vom Wortlaut der Regelung des § 650f BGB umfasst, insbesondere beruhen sie wegen der vertraglichen Einbeziehung der VOB/B auf einer Vereinbarung der Parteien. Das Gericht muss daher nur den Rechtsgrund des zusätzlichen Vergütungsanspruches (insbesondere eine wirksame Anordnung des Auftraggebers) feststellen. Hinsichtlich der Höhe des zusätzlichen Vergütungsanspruchs reicht zur Darlegung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers.

Fazit:

Es ist eine gesetzgeberische Grundentscheidung, dass der Bauunternehmer für die vereinbarte Vergütung in voller Höhe Sicherheit verlangen kann, bis die Vergütung bezahlt ist. Dies gilt also auch für den Teil der Vergütung, der auf Änderungsanordnungen des Auftraggebers beruht. Die Argumentation des BGH ist auf Vergütungsanpassungen wegen Änderungsanordnungen nach §§ 650b, 650c BGB im Rahmen von BGB-Bauverträgen übertragbar, da die Vergütungsansprüche bei Änderungsanordnung auch insofern Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sind.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 650b Änderung des Vertrags, Anordnungsrecht des Bestellers

(1) Begehrt der Besteller

1.​eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Absatz 2) oder

2. ​eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist,

streben die Vertragsparteien Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung an. Der Unternehmer ist verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen, im Falle einer Änderung nach Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. Macht der Unternehmer betriebsinterne Vorgänge für die Unzumutbarkeit einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 geltend, trifft ihn die Beweislast hierfür. Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat. Begehrt der Besteller eine Änderung, für die dem Unternehmer nach § 650c Absatz 1 Satz 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zusteht, streben die Parteien nur Einvernehmen über die Änderung an; Satz 2 findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1, kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen. Der Unternehmer ist verpflichtet, der Anordnung des Bestellers nachzukommen, einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung zumutbar ist. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

§ 650c Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2 

(1) Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln. Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, steht diesem im Fall des § 650b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zu.

(2) Der Unternehmer kann zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen. Es wird vermutet, dass die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung der Vergütung nach Absatz 1 entspricht.

(3) Bei der Berechnung von vereinbarten oder gemäß § 632a geschuldeten Abschlagszahlungen kann der Unternehmer 80 Prozent einer in einem Angebot nach § 650b Absatz 1 Satz 2 genannten Mehrvergütung ansetzen, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht. Wählt der Unternehmer diesen Weg und ergeht keine anderslautende gerichtliche Entscheidung, wird die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung erst nach der Abnahme des Werks fällig. Zahlungen nach Satz 1, die die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung übersteigen, sind dem Besteller zurückzugewähren und ab ihrem Eingang beim Unternehmer zu verzinsen. § 288 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 und § 289 Satz 1 gelten entsprechend.

§ 650f Bauhandwerkersicherung

(1) Der Unternehmer kann vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Satz 1 gilt in demselben Umfang auch für Ansprüche, die an die Stelle der Vergütung treten. Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller Erfüllung verlangen kann oder das Werk abgenommen hat. Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, bleiben bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. […]

[…]

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B)

§ 2 VOB/B Vergütung

(5) Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. 2Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden.

(6) 1.​Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.

2.​Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren.

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Moritz Schmid

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