27.03.2024

Verwaltung und Gerichte fremdeln immer noch mit direktdemokratischen Elementen: Erst VGH Mannheim erklärt Bürgerbegehren gegen einen Bebauungsplan für offenkundig zulässig – und hebt VG Stuttgart als in allen Punkten fehlerhaft auf.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Reinhard Sparwasser

Das Bürgerbegehren gegen den Bebauungsplan „Siebeneicher Straße“ zwischen Schwabach und Siebeneich ist zulässig. Das Bebauungsplanverfahren, das zur Erweiterung der Hofstelle Weibler für Feste und Parties diente, darf bis auf Weiteres nicht fortgesetzt werden. 

Die Gemeinde hat das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt, obwohl ausreichend Unterschriften gesammelt waren. Der Bürgermeister hatte sogar angekündigt, bei einer anderen Entscheidung Widerspruch gegen den Beschluss des Gemeinderats einzulegen. Das haben sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens nicht gefallen lassen. Jetzt hat das oberste Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg – der Verwaltungsgerichtshof (VGH) – am 26.02.2024 entschieden, dass das Bürgerbegehren zulässig ist. Die Gemeinde muss das Bebauungsplanaufstellungsverfahren sofort stoppen. 

Gegenstand des Verfahrens waren die Zulässigkeit und Verständlichkeit der Fragestellung und der Inhalt der Begründung. Der 1. Senat des VGH hat nun entschieden: „Das Bürgerbegehren ist mit seiner hinreichend bestimmten Frage auf ein rechtmäßiges Ziel gerichtet“. Auch die Begründung des Bürgerbegehrens entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Das Gericht folgte umfassend unserer Argumentation. Die Gelegenheit hat der VGH zudem dazu genutzt, eine alte Streitfrage zu klären: Anders als vom Hessischen VGH für das dortige Landesrecht entschieden, kann ein Bürgerentscheid in Baden-Württemberg noch bis zum Satzungsbeschluss durchgeführt werden, also auch noch nach Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung und der Offenlage. Eine Gemeinde kann ein zum Aufstellungsbeschluss durchgeführtes Bürgerbegehren also nicht dadurch unterlaufen, dass es das Bauleitverfahren zügig weiterbetreibt.

Die insgesamt 28 Seiten umfassende Entscheidung des VGH ist auf der Homepage https://www.bretzfeld-intakt.de/veröffentlicht.

Politisch ist nicht leicht verständlich, dass man die Gemeindebürger partout nicht entscheiden lassen will. Einzelheiten eines Bebauungsplans sind dem Bürgerentscheid entzogen. Das Ob eines Bebauungsplans hat der Gesetzgeber aber bewusst dem Bürgerentscheid geöffnet. 

Dass eine Verwaltung diese gesetzgeberische Entscheidung mit einer verdrehten und gekünstelten Auslegung von Fragestellung und Begründung eines Bürgerbegehrens unterlaufen will, zeugt von fehlendem Respekt vor dem Bürger, dem Gesetzgeber und der direkten Demokratie insgesamt. Diesen Vorwurf muss man leider nicht nur der Gemeinde, sondern auch dem Verwaltungsgericht machen. Schön, dass ein Obergericht das alles richtiggestellt hat.

Beitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Reinhard Sparwasser

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