19.01.2023

Unzulässige Umnutzung einer Praxis zu Wohnzwecken wegen Verstoß gegen die Zweckbestimmung der Teilungserklärung!

Beitrag von Rechtsanwältin Marie-Lea Andert

BGH, Urteil vom 15.07.2022 – V ZR 127/21

Sachverhalt und Entscheidungsgrundlage:

Die Parteien sind Mitglieder eine Wohnungseigentümergemeinschaft, welche aus 14 Einheiten in den Häusern A und B besteht. Die Teilungserklärung sieht vor, dass Wohnungen nur zu Wohnzwecken und Gewerberäume als Büro, Praxis, Apotheke, Kiosk und Laden genutzt werden dürfen, wobei die Nutzungsart der übrigen Nutzung des Gebäudes angepasst sein müsse.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnungseigentumseinheit im Haus A, die Beklagten sind Eigentümer einer Teileigentumseinheit im Haus B.

In ihrer Teileigentumseinheit betrieben die Beklagten eine Zahnarztpraxis mit Labor. Im Jahr 2018 bauten sie die Praxis zu Wohnzwecken um. Seither wird die Teileigentumseinheit als Wohnung genutzt. 

Die Klägerin verklagte die Beklagten auf Unterlassung der Wohnnutzung. Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht gab der Klage im Berufungsverfahren mit dem Argument statt, dass die Wohnnutzung mit der Zweckbestimmung der Teileigentumseinheit in der Teilungserklärung nicht vereinbar sei. Zudem störe vorliegend die Nutzung zu Wohnzwecken mehr als die gewerbliche Nutzung, welche an Sonn- und Feiertagen unterbleibe. Dagegen haben die Beklagten vor dem Bundesgerichtshof die Revision eingelegt.

Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts; Die Unterlassungsklage sei begründet gewesen. 

Zwar könne sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als zulässig erweisen, wenn die Regelungen in der Teilungserklärung zur erlaubten Nutzung eine solche ergänzende Auslegung zulassen und die Nutzung bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2019, V ZR 203/18 und BGH, Urteil vom 16.07.2021, V ZR 284/19).

Die vorliegenden Regelungen in der Teilungserklärung zur erlaubten Nutzung seien jedoch abschließend und könnten nicht ergänzend ausgelegt werden.

Im vorliegenden Fall störe die Wohnnutzung der Teileigentumseinheit in dem der gewerblichen Nutzung vorbehaltenen Gebäudeteil bei typisierender Betrachtung regelmäßig mehr als die vorgesehene gewerbliche Nutzung. In der gemischten, aber räumlich getrennten Anlage hätten sowohl die Teil- als auch die Wohnungseigentümer ein berechtigtes Interesse daran, dass die vorgegebene räumliche Trennung erhalten bleibe, um etwaige Nutzungskonflikte von vornherein zu vermeiden.

Fazit und Ausblick:

Da mit einer Rezession in der Baubranche zu rechnen ist, gewinnt das Thema der Umnutzung von Bestandseinheiten an Relevanz. In seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof seinen Kriterienkatalog für eine zulässige Umnutzung nach Wohnungseigentumsrecht konkretisiert und erweitert:

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil untersucht, ob die Regelungen in der Teilungserklärung zum Nutzungszweck lückenhaft sind und für eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne der Umnutzung durch die Beklagten zugänglich sind.

Dafür sah er sowohl vor dem Hintergrund der abschließenden Formulierung der Regelungen als auch der Annahme, dass die Nutzung zu Wohnzwecken bei typisierender Betrachtung mehr stört als die nach der Teilungserklärung vereinbarte Nutzung zu Gewerbezwecken, keinen Anlass.

Maßgebliche Vorschriften:

§ 1004 BGB

(1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. (…)

§ 10 WEG

(1) 1Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestimmt sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthält, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft. 2Die Wohnungseigentümer können von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. (…)

§ 13 WEG

(1) Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, insbesondere dieses bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen. (…)

Beitrag von Rechtsanwältin Marie-Lea Andert

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