05.10.2023

Überplanung einer Außenbereichsinsel im beschleunigten Verfahren gemäß § 13a BauGB zulässig?

BVerwG, Urteil vom 25.04.2023 – 4 CN 5/21

Leitsätze:

1. Ob eine diesseits der äußeren Grenzen der Ortslage belegene Freifläche dem Siedlungsbereich zuzuordnen ist und folglich im Wege des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB überplant werden kann, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung unter Beachtung siedlungsstruktureller Gegebenheiten. 

2. § 13a BauGB umfasst über eine quantitative Vermehrung baulicher Nutzungsmöglichkeiten hinaus auch eine qualitative Entwicklung des Siedlungsbereichs, etwa durch Einbeziehung und Bewahrung von Grünflächen. 

Sachverhalt & Erläuterungen:

§ 13a BauGB ermöglicht die Aufstellung eines Bebauungsplans im sog. beschleunigten Verfahren für Maßnahmen der Innenentwicklung, wie beispielsweise die Nachverdichtung. Nach Abs. 2 des § 13a BauGB gelten im beschleunigten Verfahren verschiedene verfahrensrechtliche Erleichterungen. Das BVerwG hatte nun u.a. zu entscheiden, ob die Planung vom nicht gesetzlich definierten Begriff „Maßnahmen der Innenentwicklung“ gedeckt ist.

Die Gemeinde überplante insgesamt 7,2 ha als sog. reine und allgemeine Wohngebiete. Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Plangebiet. Eines ihrer Grundstücke ist ca. 9.000 Quadratmeter groß, unbebaut und von Bebauung umgeben. Für dieses Grundstück wurde im Bebauungsplan eine private Grünfläche im Sinne einer Parkanlage festgesetzt. Die Antragstellerin rügte u.a., dass der Bebauungsplan nicht im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden durfte. Denn ihr Grundstück befinde sich im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB, für den § 13a BauGB nicht anwendbar sei.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag mit der Begründung abgelehnt, der Bebauungsplan diene der Innenentwicklung, weil er auf einer Vielzahl von Grundstücken neue oder erweiterte Baurechte schaffe und daher jedenfalls auch auf eine Nachverdichtung ziele. Die hiergegen gerichtete Revision zum BVerwG blieb erfolglos.

Entscheidung:

Das BVerwG urteilte, das Tatbestandsmerkmal der „Innenentwicklung“ stelle den Oberbegriff für die Maßnahmen des § 13a BauGB dar und beschränke damit den räumlichen Anwendungsbereich. Der Begriff der „Innenentwicklung“ greife dabei nicht auf vorgegebene bauplanungsrechtliche Kriterien zurück, sondern knüpfe an einen eigenen städtebaulichen Terminus an.

Eine Innenentwicklung ist nur innerhalb eines Siedlungsbereiches zulässig. „Siedlungsbereich“ meine eine Bebauung im Sinne einer lockeren Zusammengehörigkeit, die ein gewisses Gewicht besitzt. Ein Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB stelle folglich immer einen solchen Siedlungsbereich dar – allerdings nicht nur. Stattdessen sei auch der äußere Umgriff miteinbezogen und einer Überplanung nach § 13a BauGB zugänglich.

Ob eine sogenannte Außenbereichsinsel, also eine Freifläche innerhalb der äußeren Grenzen des Ortes, zum Siedlungsbereich gehöre, hänge von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Kriterien seien die Größe der Freifläche, der Eindruck der Zugehörigkeit, die zwanglose Fortsetzung der Nutzung und der funktionale Zusammenhang maßgeblich.

Dementsprechend stellt das BVerwG auch fest, dass nach dem Begriff der „doppelten Innenentwicklung“ die Festsetzung von Freiflächen im beschleunigten Verfahren zulässig sein kann. Es komme nicht auf eine nur quantitative Vermehrung von Bauflächen an; vielmehr könne auch eine qualitative genügen. Dementsprechend fördere § 13a BauGB auch eine Planung, die der Erhaltung, Erneuerung und Anpassung vorhandener Ortsteile dient. Dabei seien auch stadtklimatische Gründe zu berücksichtigen, die die Festsetzung von Grünflächen im Rahmen eines § 13a BauGB Verfahrens rechtfertigen können.

Fazit:

Das Urteil beendet in rechtlicher Hinsicht einen lang geführten Streit um den Anwendungsbereich des § 13a BauGB. In der Praxis wird die vom Bundesverwaltungsgericht formulierte wertende Betrachtungsweise in den Tatsacheninstanzen allerdings auch zukünftig gerichtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Gerade im Hinblick auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 13b BauGB (siehe hierzu unsere Erläuterungen zu § 13b BauGB) kann davon ausgegangen werden, dass § 13a BauGB zukünftig (wieder) mehr in den Fokus rücken wird. 

Zu begrüßen ist das Urteil auch im Hinblick auf den Begriff der doppelten Innenentwicklung. Das BVerwG hat gezeigt, dass trotz aller Wohnungsnot die Qualität des Wohnens nicht gänzlich hintangestellt werden darf.


Gesetzestext von § 13a BauGB:

(1) Ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) kann im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Der Bebauungsplan darf im beschleunigten Verfahren nur aufgestellt werden, wenn in ihm eine zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Absatz 2 der Baunutzungsverordnung oder eine Größe der Grundfläche festgesetzt wird von insgesamt

1. weniger als 20 000 Quadratmetern, wobei die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen sind, oder

2. 20 000 Quadratmetern bis weniger als 70 000 Quadratmetern, wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 dieses Gesetzes genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Absatz 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls); die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteiligen.

Wird in einem Bebauungsplan weder eine zulässige Grundfläche noch eine Größe der Grundfläche festgesetzt, ist bei Anwendung des Satzes 2 die Fläche maßgeblich, die bei Durchführung des Bebauungsplans voraussichtlich versiegelt wird. Das beschleunigte Verfahren ist ausgeschlossen, wenn durch den Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben begründet wird, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen. Das beschleunigte Verfahren ist auch ausgeschlossen, wenn Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.

(2) Im beschleunigten Verfahren

1. gelten die Vorschriften des vereinfachten Verfahrens nach § 13 Absatz 2 und 3 Satz 1 entsprechend;

2. kann ein Bebauungsplan, der von Darstellungen des Flächennutzungsplans abweicht, auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert oder ergänzt ist; die geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets darf nicht beeinträchtigt werden; der Flächennutzungsplan ist im Wege der Berichtigung anzupassen;

3. soll einem Bedarf an Investitionen zur Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum oder zur Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben in der Abwägung in angemessener Weise Rechnung getragen werden;

4. gelten in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 Eingriffe, die auf Grund der Aufstellung des Bebauungsplans zu erwarten sind, als im Sinne des § 1a Absatz 3 Satz 6 vor der planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig.

(3) Bei Aufstellung eines Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren ist ortsüblich bekannt zu machen,

1. dass der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 aufgestellt werden soll, in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2 einschließlich der hierfür wesentlichen Gründe, und

2. wo sich die Öffentlichkeit über die allgemeinen Ziele und Zwecke sowie die wesentlichen Auswirkungen der Planung unterrichten kann und dass sich die Öffentlichkeit innerhalb einer bestimmten Frist zur Planung äußern kann, sofern keine frühzeitige Unterrichtung und Erörterung im Sinne des § 3 Absatz 1 stattfindet.

Die Bekanntmachung nach Satz 1 kann mit der ortsüblichen Bekanntmachung nach § 2 Absatz 1 Satz 2 verbunden werden. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2 erfolgt die Bekanntmachung nach Satz 1 nach Abschluss der Vorprüfung des Einzelfalls.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Änderung, Ergänzung und Aufhebung eines Bebauungsplans.

Beitrag von Rechtsanwältin Shirin Gallinger

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