14.11.2023

Teileigentum an Stellplätzen einer Tiefgarage, die sich über mehrere Grundstücke erstreckt?

BGH, Beschluss vom 15.06.2023 – V ZB 12/22

Sachverhalt und Entscheidungsgrundlage:

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sie eine Tiefgarage errichtete (Tiefgaragengrundstück). Nur ein kleiner Teil der Tiefgarage nebst Zufahrt wurde jedoch tatsächlich auf dem Tiefgaragengrundstück errichtet; der weitaus größere Teil erstreckt sich auf drei weitere Grundstücke und stellt somit einen Überbau dar. 

Zu Lasten der überbauten Grundstücke ist jeweils eine Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt, dass dem Eigentümer des Tiefgaragengrundstücks der Überbau gestattet wird, im Grundbuch eingetragen.

Zu Lasten des Tiefgaragengrundstücks und zugunsten des jeweiligen Eigentümers der überbauten Grundstücke ist eine Grunddienstbarkeit eingetragen, die zur Errichtung eines Gebäudes auf dem jeweiligen Tiefgaragenüberbau berechtigt. 

Die Antragstellerin beantragte unter Beifügung einer notariellen Teilungserklärung und einer Abgeschlossenheitsbescheinigung bei dem Grundbuchamt/Amtsgericht Wiesbaden die Teilung des Tiefgaragengrundstücks in Teileigentumseinheiten. Dabei bezieht die Teilungserklärung auch die Teile der Tiefgarage ein, die sich auf die Nachbargrundstücke erstreckt, wobei die Teileigentumseinheiten die einzelnen Tiefgaragenstellplätze abbilden sollen. 

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und dies damit begründet, dass nach § 1 Abs. 4 WEG die Bildung von Teileigentum an mehreren Grundstücken nicht möglich sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. ist mit der Begründung erfolglos geblieben, dass die Tiefgarage mit den (noch zu errichtenden) aufstehenden Gebäuden auf den überbauten Nachbargrundstücken eine Einheit bilden könnte.

Die Antragstellerin verfolgte die Teilung durch Einlegung der Beschwerde gegenüber dem Bundesgerichtshof weiter.

Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hob die Beschlüsse des Amtsgerichts Wiesbaden und des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. auf.

Die Begründung von Teileigentum durch Teilungserklärung nach § 8 Abs. 1 WEG sei zwar nach § 1 Abs. 4 WEG nur für ein einzelnes Grundstück zulässig. Allerdings stehe es einer Teilung nicht entgegen, wenn sich die Teilungserklärung auf Räume beziehe, die zwar in dem Bereich eines anderen Grundstücks gelegen, diese aber nach §§ 93, 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks sind. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Überbau mit Zustimmung des Nachbarn errichtet worden sei.

Diese Grundsätze würden aber nur dann gelten, wenn es sich bei dem grenzüberschreitenden Bauwerk um ein einheitliches Gebäude handele.

Maßgebend dafür sei mangels gesetzlicher Definition die Verkehrsanschauung mit besonderer Betrachtung der funktionalen Einheit und nicht allein die körperlich bautechnische Beschaffenheit. 

Nach der Verkehrsanschauung stünden Verbindungen der auf den überbauten Nachbargrundstücken aufstehenden Gebäude mit dem Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und der Haustechnik dienende Versorgungseinrichtungen oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere Zufahrten der Einordnung der Tiefgarage mit dem Gebäude des Stammgrundstücks als einheitliches Bauwerk nicht entgegen. 

Bleibe die Tiefgarage als Ganzes über eine Zufahrt vom Stammgrundstück aus erreichbar, sei vom Grundbuchamt aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss zu ziehen, dass der Tiefgaragenkörper unabhängig von einer aufstehenden Bebauung auf den überbauten Nachbargrundstücken eigentumsrechtlich dem Stammgrundstück zuzuordnen sei.

Fazit:

Einer Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG steht nicht entgegen, dass sich die Teilungserklärung auf Räume bezieht, die zwar im Bereich eines anderen Grundstücks gelegen, aber nach §§ 93, 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks sind. Ein Überbau ist wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks, wenn er mit Zustimmung der Nachbarn errichtet wurde. Eine grundstücksübergreifende Tiefgarage muss dann allerdings bei funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung mit dem Stammgrundstück eine Einheit bilden. 

Dieser Einheit steht, wie der Bundesgerichtshof nun für die Praxis klärt, nicht entgegen, dass die Tiefgarage auf dem Nachbargrundstück mit Gebäuden überbaut werden soll.

Maßgebliche Vorschriften:

§ 1 WEG

(…) (4) Wohnungseigentum und Teileigentum können nicht in der Weise begründet werden, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden wird. (…)

§ 8 WEG 

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile in der Weise teilen, dass mit jedem Anteil Sondereigentum verbunden ist. (…)

§ 93 BGB

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

§ 94 BGB

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. (…)

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

Beitrag von Rechtsanwältin Marie-Lea Andert

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