18.09.2023

Recht auf Eintragung einer Baulast aus Dienstbarkeit

BGH, Urteil vom 30.06.2023 – V ZR 165/22

Sachverhalt:

Die Klägerin besitzt drei Hinterliegergrundstücke, wovon zwei unbebaut sind. Die Grundstücke sind vor knapp 100 Jahren im Rahmen einer Teilung entstanden; hierbei wurde das nicht der Klägerin gehörende Vorderliegergrundstück mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrtrechts zugunsten ihrer Grundstücke belastet. Die Klägerin möchte auf einem der noch unbebauten Grundstücke ein Wohnhaus errichten. Dieses ist nach § 34 BauGB aufgrund der mittlerweile umliegenden Bebauung zulässig. Für die Baugenehmigung benötigt die Klägerin aber nach § 4 Abs. 1 LBO eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt in Form einer Baulast. Die Eintragung einer solchen hat der Eigentümer des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Vorderliegergrundstücks abgelehnt. Die auf Abgabe der benötigten Baulasterklärung gerichtete Klage haben das LG Offenburg und das OLG Karlsruhe abgewiesen. Zu Unrecht, wie der BGH meint.

Entscheidung:

Der BGH stellt klar, dass aus dem Begleitschuldverhältnis der Dienstbarkeitsbestellung ein Anspruch auf Abgabe einer (deckungsgleichen) Baulast besteht, soweit die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die Nutzungen erfasst, die durch die Bebauung des Grundstücks hervorgerufen werden. 

Der BGH unterscheidet hierbei zwischen festgelegter Nutzung und uneingeschränktem Wegerecht. Ist für die Dienstbarkeit die Nutzungsart (z.B. nur landwirtschaftlicher Verkehr) festgelegt, ist eine Baulast zur Ermöglichung einer anderweiten Nutzung (z.B. Wohnbebauung) ausgeschlossen. Die Beweislast für die Einschränkung liegt beim Grunddienstbarkeitsverpflichteten. Ist dagegen ein uneingeschränktes Geh- und Fahrtrecht eingeräumt, dann ermöglicht dies jede zulässige Nutzung des Grundstücks, soweit diese nicht unvorhersehbar und willkürlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die sich aus der Dienstbarkeit ergebenden Rechte und Pflichten mit wachsenden Bedürfnissen des Berechtigten erweitern können.

Der subjektive Wille der Beteiligten bei Eintragung der Dienstbarkeit ist bei der Auslegung des Umfangs der Dienstbarkeit nicht maßgeblich. Entscheidend sind nur die objektiven Umstände, wie sie sich aus dem Grundbuch ergeben. Begleitumstände können bei der Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind.

Nur wenn den Parteien bei Grunddienstbarkeitsbestellung klar ist, dass für die Bebauung eine Baulast erforderlich wird und hierauf sehenden Auges verzichtet wird – wofür es objektive Anhaltspunkte geben muss – kann ein Anspruch auf die Baulast ausgeschlossen sein. Im konkreten Fall bedurfte es damals noch keiner Baulast, insofern wurde hierauf auch nicht sehenden Auges verzichtet. In neueren Fällen wird der bewusste Verzicht auf die Baulast wohl regelmäßig keinen Niederschlag gefunden haben.

Eine restriktivere Auslegung folgt – entgegen dem OLG – auch nicht daraus, dass die Baulast eine stärkere Belastung darstellt, weil sie nicht der Dispositionsfreiheit der Parteien unterliegt und nicht im Wege der Zwangsvollstreckung erlöschen kann.

Der BGH hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen, weil es an der Entscheidungsreife fehlte.

Fazit:

Das Urteil macht zum einen deutlich, wie wichtig Grunddienstbarkeiten bei Grundstücksteilungen sind. Der Senat trifft darüber hinaus eine in jeder Hinsicht zu befürwortende Klarstellung der Reichweite des mit der Dienstbarkeit einhergehendem Schuldverhältnis. Hierbei kommt es im Einzelfall auf die objektiv erkennbaren Umstände der Dienstbarkeitsbestellung an. Für die Praxis bedeutet dies, bei der Bestellung genau hinzuschauen und etwaige Zweckabreden festzuschreiben. Für bereits Berechtigte kann es sich anbieten, ihre Dienstbarkeiten zu prüfen und sich ggf. schon heute Baulastenerklärungen vom Verpflichteten einzuholen, um bei späteren Bauvorhaben keine Zeit zu verlieren. 

Beitrag von Rechtsanwalt
Dr. Ole Jena

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