24.02.2023

Keine Schonfristzahlung bei der (hilfsweisen) ordentlichen Kündigung

Beitrag von Rechtsanwältin Anne Ruf

BGH, Urt. v. 05.10.2022 – VIII ZR 307/21 und BGH, Urt. v. 13.10.2021 – VIII ZR 91/20

Sachverhalt

Zwischen den Parteien bestand seit dem Jahr 1984 ein Mietverhältnis. Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte ist der Mieter. Ab März 2012 zahlte der Beklagte eine um 20% geminderte Miete. Die Klägerin erhob im Jahr 2017 gegen den Beklagten Klage auf Zahlung der rückständigen Miete, welche im Wesentlichen Erfolg hatte. Trotzdem bezahlte der Beklagte auch weiterhin eine geminderte Miete.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben von April 2018 wegen des bis dahin aufgelaufenen Mietrückstands die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Nach Zustellung der darauffolgenden Räumungsklage bezahlte der Beklagte die rückständige Miete.

Das Amtsgericht gab der Räumungsklage aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses statt. Das Landgericht Berlin wies die Räumungsklage ab. Es erstreckte die Wirkungen der Schonfristzahlung (Begleichung der rückständigen Miete durch den Beklagten) nicht nur auf die außerordentliche, sondern auch auf die hilfsweise ordentliche Kündigung. Damit bestätigte es zwar seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2020, setzte sich aber damit erneut in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hob beide Urteile des Landgerichts auf und verwies sie zur Entscheidung an eine andere Kammer zurück.

Entscheidung

Die außerordentliche Kündigung wegen rückständiger Mieten ist ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird (§ 543 Abs. 2 Satz 2 BGB) und wird in Mietverhältnissen über Wohnraum u.a. unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs befriedigt wird (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB), sog. Schonfristzahlung.

Der Bundesgerichtshof wendet die Schonfristzahlungen nur auf die außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, nicht jedoch auf die hilfsweise ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB an.

Hierfür spreche zunächst der Wortlaut der Schonfristregelung. Das Wort „Kündigung“ in § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB sei nämlich im Zusammenhang mit der amtlichen Überschrift der Norm, „Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“, zu lesen.

Auch die systematische Stellung der Regelung spreche dafür, sie nur auf die fristlose Kündigung anzuwenden. Die Schonfristregelung stehe zwar im Unterkapitel der allgemeinen Vorschriften des Kapitels über die Beendigung von Wohnraummietverhältnissen und damit auch vor der Regelung zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 BGB. Dies bedeute aber nicht, dass die Norm auch auf die ordentliche Kündigung anzuwenden sei. Denn § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB sei in Bezug auf § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB, der die außerordentliche fristlose Kündigung regelt, eine Ausnahmeregelung für das Wohnraumietrecht. Sie stehe im Allgemeinen Teil, weil sie sowohl für die in den nachfolgenden Unterkapiteln geregelten Mietverhältnisse auf unbestimmte und bestimmte Zeit gelte.

Zudem spreche der Sinn und Zweck dafür, dass die Schonfristregelung nur auf die außerordentliche fristlose Kündigung Anwendung finde. Die Schonfristzahlung diene der Vermeidung einer plötzlichen Obdachlosigkeit des Mieters. Bei einer ordentlichen Kündigung, die mindestens eine Kündigungsfrist von drei Monaten hat, drohe eine solche Obdachlosigkeit nicht.

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass auch die historische Auslegung für eine solche Anwendung spreche. Der Gesetzgeber sei nämlich nicht tätig geworden. Nach dessen Willen erstrecke sich die Wirkung der Schonfristzahlung nicht auf die ordentliche Kündigung und der Gesetzgeber lehne (zumindest bisher) eine Erstreckung auch ab.

Fazit

Der Bundesgerichtshof bestätigt und verfestigt mit der Anwendung der Schonfristregelung nur auf die außerordentliche fristlose Kündigung seine bisherige Rechtsprechung. Sollte die Schonfristzahlung auch eine Wirkung auf die ordentliche Kündigung haben, müssten hierfür entsprechende Regelungen geschaffen werden. Bis dahin erteilt der Bundesgerichtshof dem Landgericht Berlin wohl auch weiterhin eine Absage.

Maßgebliche Vorschriften:

§ 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)

3. der Mieter

a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. (…)

§ 569 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(3) (…) 2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. (…)

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, (…)

Beitrag von Rechtsanwältin Anne Ruf

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