Ein Beitrag von Prof. Dr. Reinhard Sparwasser und Dr. Peter Neusüß
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2023 zur Unwirksamkeit des § 13b BauGB hat viele rechtliche Fragen aufgeworfen und betroffene Gemeinden, Eigentümer und Bauherrn, aber auch die Baurechtsbehörden vor eine Reihe schwieriger Fragen gestellt. Wir haben das mehrfach kommentiert, gesetzgeberische Abhilfe gefordert und auch einen Formulierungsvorschlag über den Verwaltungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins vorgelegt. Eine Reparaturvorschrift liegt nun vor – ob sie viel hilft, muss man bezweifeln:
Der Bundestag hat am 17.11.2023 im „Huckepackverfahren“ zum Wärmeplanungsgesetz einen neuen § 215a BauGB beschlossen, um nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Unanwendbarkeit des § 13b „den Mehraufwand für die Betroffenen so gering wie nach dem Europarecht möglich zu halten“ und „Rechtsklarheit“ zu schaffen. Die Änderung des Flächennutzungsplans entfällt, im Übrigen stellen sich aber viele Fragen.
I. Wortlaut und Verfahren
Der Bundestag hat folgenden neuen § 215a BauGB beschlossen:
§ 215a Beendigung von Bebauungsplanverfahren und ergänzendes Verfahren für Bebauungspläne nach § 13b in der bis zum Ablauf des 22. Juni 2021 oder bis zum Ablauf des … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 4…] geltenden Fassung
Es beginnt mit einer Überleitungsvorschrift zu laufenden Verfahren, die nach Verwerfen des § 13b BauGB durch das BVerwG eine neue Grundlage bekommen sollen:
(1) Bebauungsplanverfahren nach § 13b in der bis zum Ablauf des 22. Juni 2021 oder bis zum Ablauf des … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 4] geltenden Fassung, die vor Ablauf des 31. Dezember 2022 förmlich eingeleitet wurden, können nach Maßgabe des Absatzes 3 im beschleunigten Verfahren in entsprechender Anwendung des § 13a abgeschlossen werden, wenn der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 gefasst wird.
Weiter geht es dann mit einer Heilungsvorschrift bzw. einer Anleitung zur Heilung bereits abgeschlossener Verfahren im ergänzenden Verfahren mit Rückwirkung:
(2) Sollen Bebauungspläne, die im Verfahren nach § 13b in der bis zum Ablauf des 22. Juni 2021 oder bis zum Ablauf des … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel 4] geltenden Fassung aufgestellt wurden, durch ein ergänzendes Verfahren gemäß § 214 Absatz 4 in Kraft gesetzt werden, kann § 13a nach Maßgabe des Absatzes 3 entsprechend angewendet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 zu fassen.
Dann erst kommt die eigentliche Ersatzrechtsgrundlage mit einem mühsamen Spagat zwischen europarechtlicher Anforderung durch die Brille des Bundesverwaltungsgerichts einerseits und wohl eher politisch motivierten, sicher gut gemeinten Anforderungen andererseits:
(3) § 13a Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 13 Absatz 3 Satz 1 sowie § 13a Absatz 2 Nummer 4 können nur dann entsprechend angewendet werden, wenn die Gemeinde auf Grund einer Vorprüfung des Einzelfalls entsprechend § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 die [sic!] zu der Einschätzung gelangt, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Absatz 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären oder die als Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes oder der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts entsprechend § 1a Absatz 3 auszugleichen wären.
Hinzukommen ein paar nebensächliche verfahrensrechtliche Anforderungen:
Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteiligen. Wird das Verfahren nach Absatz 1 oder Absatz 2 nach Abschluss der Vorprüfung des Einzelfalls ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 fortgesetzt, hat die Gemeinde dies einschließlich der hierfür wesentlichen Gründe ortsüblich bekanntzumachen.
Den Abschluss bildet der bemerkenswerte Hinweis, dass anzuwendende Vorschriften anzuwenden sind – interessanterweise aber auch nur entsprechend:
(4) Auf Bebauungspläne, deren Aufstellung nach Absatz 1 abgeschlossen worden ist oder die im ergänzenden Verfahren nach Absatz 2 in Kraft gesetzt worden sind, sind die Bestimmungen der §§ 214 und 215 zur Planerhaltung entsprechend anzuwenden.“
Das Gesetz soll vom Bundesrat in seiner Sitzung am 15.12.2023 behandelt werden und am 01.01.2024 in Kraft treten.
II. Folgen der Regelung
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht § 13b BauGB – unseres Erachtens nicht zwingend und schon gar nicht überzeugend begründet – für unwirksam gehalten hat, sind Bebauungspläne nach § 13b BauGB nach den Vorschriften des Regelverfahrens zu beurteilen.
Bei laufenden Verfahren und zur Heilung von beschlossenen Bebauungsplänen mit beachtlichen Fehlern sind daher insbesondere folgende Schritte nachzuholen:
- Umweltprüfung und -bericht
- Änderung des Flächennutzungsplans
- Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 1a Abs. 3 BauGB
1. Keine Änderung des Flächennutzungsplans erforderlich
Eine Änderung des Flächennutzungsplans ist bei Fortsetzung des Verfahrens oder im Heilungsverfahren nach der Neuregelung nicht erforderlich.
2. Umweltprüfung und Ausgleich – Vorprüfungspflicht
Von der Umweltprüfung und dem Ausgleich kann hingegen nur abgesehen werden, wenn die Gemeinde auf Grund einer Vorprüfung des Einzelfalls zu der Einschätzung gelangt, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Absatz 4 Satz 4 in der Abwägung zu berücksichtigen wären oder die als Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes oder der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts entsprechend § 1a Absatz 3 auszugleichen wären.
Hier stellen sich zunächst die Fragen: Wann sind Umweltauswirkungen erheblich? Und gibt es überhaupt erhebliche Umweltauswirkungen, die nicht abwägungsrelevant sind? Und wenn die Umweltauswirkungen erheblich sind und in der Abwägung berücksichtigt werden müssen: Welcher Fall oder Grund ist denkbar, dass sie nicht ausgeglichen werden müssen?
Warum verknüpft der Gesetzgeber die Vorprüfung mit dem Eingriff-Ausgleich nach § 1a Abs. 3 BauGB, obgleich dieser europarechtlich nicht geboten ist und er es den Kommunen so leicht wie europarechtlich möglich machen wollte? Ist bei der Prüfung, ob der Eingriff abwägungsrelevant ist, § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB, also der Verzicht auf den Ausgleich zu berücksichtigen oder nicht? Falls ja: Läuft die Regelung dann nicht leer? Falls nein: Welcher Bebauungsplan im Außenbereich sorgt nicht für Ausgleichsbedarf?
Bei so vielen Fragen: Hätte es da nicht näher gelegen, eine schlanke Regelung wie vom DAV unter unserer Mitwirkung vorgeschlagen, zu beschließen, die tatsächlich das unionsrechtliche Minimum umsetzt?
Jedenfalls müssen die Kommunen nunmehr erst einmal prüfen, ob sie überhaupt eine Chance haben, durch Vorprüfung von Umweltbericht und Eingriff-Ausgleichs-Bilanz befreit zu werden. Nur dann lohnt es sich, förmlich in die Vorprüfung einzusteigen. Sonst dürfte es schneller (und rechtssicherer) sein, das Verfahren gleich mit Umweltprüfung und Ausgleich fortzusetzen.
3. Pläne > 1 Jahr
Bei Bebauungsplänen nach § 13b BauGB, die älter als ein Jahr sind, geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass die Fehler nach § 215 BauGB unbeachtlich geworden sind. Hieran bestehen allerdings erhebliche Zweifel, weil der fehlende Ausgleich in vielen Fällen nicht ein unbeachtlicher Fehler im Abwägungsvorgang, sondern ein „Ewigkeitsfehler“ im Abwägungsergebnis sein dürfte. Entgegen der Gesetzesbegründung bestehen also weitergehender Heilungsbedarf und ein größeres Anwendungsfeld.
Im Übrigen bleibt in diesen „Altfällen“ der Flächennutzungsplan unverändert, da eine Berichtigung des Flächennutzungsplans ohne Rechtsgrundlage nicht möglich ist. Oder aber § 13b BauGB war entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht insgesamt unanwendbar, sondern nur, soweit Unionsrecht dies fordert. Da § 13b BauGB nunmehr durch das Gesetz aber vollständig aufgehoben wird, wird es hierauf kaum noch ankommen. Scheut der Gesetzgeber den Clinch mit dem BVerwG?
Beitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Reinhard Sparwasser
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