22.06.2021

Fiktive Mängelbeseitigungskosten können im Kaufrecht weiterhin verlangt werden.“

BGH, Urt. v. 12.03.2021 – V ZR 33/19

Sachverhalt

Im Jahr 2014 erwarben die Kläger von dem Beklagten eine gebrauchte Eigentumswohnung. Zwischen den Parteien wurde ein Sachmängelausschluss vereinbart. Ferner vereinbarten die Parteien: „Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31. Dezember 2015 erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der Verkäufer, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben.“ Nach der Übergabe der Wohnung Ende 2014 trat erneut Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer auf. Die Kläger forderten den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung zur Beseitigung des Mangels auf. Die Wohnungseigentümer ermächtigten die Kläger durch Beschluss auch insoweit zur Behebung der Schäden, als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Mit der Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten unter anderem die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 7.972,68 €.

Entscheidung

Die Vorinstanzen (LG Krefeld und OLG Düsseldorf) haben den Klägern die fiktiven Mängelbeseitigungskosten zugesprochen. Der für das Immobilienkaufrecht zuständige
V. Zivilsenat des BGH hält an seiner gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung fest.
Ein Käufer kann im Kaufrecht im Rahmen des kleinen Schadensersatzes (§§ 437 Nr. 3, 280, 281 Abs. 1 BGB) weiterhin entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwertes oder Ersatz der voraussichtlichen, aber bislang nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten verlangen, unabhängig davon, ob der Käufer den Mangel tatsächlich beseitigt oder nicht. Die von dem VII. Zivilsenat im Rahmen des Werk- und Architektenvertragsrechts geänderte Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 22.02.2018 –
VII ZR 46/17), wonach eine Schadensbemessung anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten nicht mehr zulässig ist, lässt sich auf die kaufrechtliche Sachmängelhaftung nach Auffassung des V. Zivilsenats nicht übertragen.

Fazit

Diese Entscheidung erregte Aufsehen, da der V. Zivilsenat kurz zuvor den für das Werk- und Architektenvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat fragte, ob dieser an seiner gerade erst geänderten Rechtsprechung festhalte. Dies stellt eine notwendige Vorstufe zur Anrufung des Großen Zivilsenats wegen Divergenz zwischen zwei Zivilsenaten dar (§ 132 Abs. 2 GVG).
Der V. Zivilsenat entschied in dem vorliegenden Fall, dass er an seiner gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung festhält, es einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen allerdings nicht bedarf, nachdem der VII. Zivilsenat auf Anfrage des V. Zivilsenats die Begründung seiner Rechtsprechungsänderung mit Beschluss vom 08.10.2020
(VII ARZ 1/20) mit Blick auf das Werk- und Architektenvertragsrecht vertieft und ergänzt hat und zudem triftige Gründe für abweichende Senatsrechtsprechungen vorliegen.
Die praktischen Unterschiede, die durch diese divergierenden Entscheidungen des V. Zivilsenats und des VII. Zivilsenats entstehen, sind aufgrund der unterschiedlichen Regelungsregime des Kauf- und Werkvertragsrechts, die der VII. Zivilsenat in seinem Beschluss vom 08.10.2020 eindringlich darstellt, gerechtfertigt.

Damit dürfte der Streit zwischen dem V. und VII. Zivilsenat hinsichtlich fiktiver Mangelbeseitigungskosten beendet sein. Für die Praxis gilt, die unterschiedliche Behandlung der „fiktiven“ Mängelbeseitigungskosten im Kauf- und Werkvertragsrecht künftig besonders im Blick zu behalten.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 437 BGB

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen

2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und

3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadenersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

§ 280 BGB

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

§ 281 BGB

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadenersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadenersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

§ 132 Abs. 2 GVG

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

Beitrag von Rechtsanwältin
Laura Meurer
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