01.02.2022

„Der Architekt schuldet eine genehmigungsfähige Planung!“

Beitrag von Rechtsanwalt Moritz Schmid

OLG Nürnberg, Urt. v. 16.06.2021 – 2 U 2751/19

Sachverhalt

Der Architekt hat entgegen der bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zu den zulässigen Dachformen auf Wunsch seines Auftragnehmers ein Gebäude mit einem Flachdach geplant. Er wies darauf hin, dass wegen des Flachdaches eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erforderlich ist. Die Genehmigung wurde von der Bauaufsicht versagt und die Befreiung nicht erteilt. Der Auftraggeber wandte gegen den Vergütungsanspruch des Architekten später ein, die Architektenleistung sei unbrauchbar, weil die Planung nicht dauerhaft genehmigungsfähig gewesen war. Der Architekt war der Auffassung, der Auftraggeber habe das Planungsrisiko übernommen, sodass die Leistung zu vergüten sei.

Entscheidung

Der Architekt hat keinen Anspruch auf Vergütung, weil das Architektenwerk mangels dauerhafter Genehmigungsfähigkeit der erstellten Planung für den Auftraggeber mangelhaft und insgesamt unbrauchbar ist. Für die Übernahme des Genehmigungsrisikos ist die Kenntnis von dem Erfordernis einer Befreiung nicht ausreichend, deren Erteilung hier auch schon gemäß § 31 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht kam, weil die Grundzüge der Planung berührt waren.

Soweit die Genehmigungsfähigkeit der Planung durch Nachbesserung erreicht werden kann, steht dem Architekten zwar ein Recht auf Nachbesserung zu. Der Auftraggeber eines Architektenvertrags ist aber nicht verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Planung nachträglich in der Weise zu ändern, dass die geänderte Planung dauerhaft genehmigungsfähig ist (BGH, Urt. v. 26.09.2002 – VII ZR 290/01; BGH, Urt. v. 19.02.1998 – VII ZR 236/96).

Fazit

Zur Enthaftung des Architekten wegen einer vertraglichen Übernahme des Genehmigungsrisikos ist eine ausführliche Aufklärung über alle Umstände notwendig, damit der Auftraggeber die Bedeutung und die Tragweite des übernommenen Risikos erkennen kann (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.1996 – VII ZR 181/93).

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 633 BGB

(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,

1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst

2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist,

die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.

Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt.

(3) …

§ 634 BGB

Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1. nach § 635 Nacherfüllung verlangen,

2. nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,

3. nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und

4. nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen

§ 31 BauGB

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder

2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder

3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde

und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) …

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Moritz Schmid

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