09.02.2024

Bauliche Veränderungen an Sondernutzungsflächen ohne WEG-Beschluss?

LG München, Urteil vom 13.12.2023 – 1 S 3566/23 WEG

Sachverhalt und Entscheidungsgrundlage:

Das mit einem Doppelhaus bebaute Grundstücke wurde in der Weise aufgeteilt, dass an jeder Doppelhaushälfte eine Wohnungseigentumseinheit entstanden ist. Im Rahmen der Teilungserklärung wurden zugunsten der beiden Wohnungseigentümer Sondernutzungsrechte am Außenbereich begründet.

Jedem Wohnungseigentümer wurde laut Teilungserklärung das Recht eingeräumt, im Rahmen der geltenden Gesetze die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstücksflächen beliebig zu nutzen, „wie wenn er Eigentümer eines Gartens in einem real geteilten Grundstück wäre“.

Der Klägerin gehört die eine Wohnungseigentumseinheit. Sie begehrt die Beseitigung eines von der anderen Wohnungseigentümerin im Bereich ihrer Nutzungseinheit errichteten Gartenhauses samt der dort hinführenden Betontreppe.

In einer Wohnungseigentümerversammlung wurden die beiden Beschlussanträge „Beseitigung des Gartenhauses auf der Sondernutzungsfläche“ und „Beseitigung der Betontreppe auf der Sondernutzungsfläche“ aufgrund eines Stimmenpatts abgelehnt.

Das Amtsgericht Garmisch-Patenkirchen hat die hierauf erhobene Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage der Klägerin gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Begründung abgelehnt, dass die Errichtung im Rahmen des eingeräumten Sondernutzungsrechts zulässig sei. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Patenkirchen vor dem LG München Berufung eingelegt – mit Erfolg.

Entscheidung:

Das Landgericht München hat entschieden, dass die Berufung in Bezug auf die Beschlussersetzungsklage begründet sei. Die Klägerin könne mit einer Beschlussersetzungsklage durchsetzen, dass gegen eine zweckwidrige Nutzung vorgegangen wird.

Eine solche zweckwidrige Nutzung sei gegeben, da die baulichen Änderungen an der Sondernutzungsfläche den Rahmen des eingeräumten Sondernutzungsrechtes überschreiten würden.

Das vorliegende Sondernutzungsrecht, welches für den Gartenanteil vereinbart wurde, enthalte zwar den Passus, dass dem Sondernutzungsberechtigten gestattet wird, die betreffende Grundstücksfläche beliebig zu nutzen, wie wenn er Eigentümer eines Gartens in einem real geteilten Grundstück wäre. Dies beinhalte jedoch keine Gestattung für eine Bebauung bzw. bauliche Änderung.

Ein eingetragenes Sondernutzungsrecht ist nach der geltenden BGH-Rechtsprechung weder ein dingliches noch ein grundstücksgleiches Recht, sondern ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht (BGH, Urteil vom 20.3.2020, V ZR 317/18). 

Fehle eine Angabe über die Gebrauchsart des zur Sondernutzung zugewiesenen Gemeinschaftseigentums, ist der Sondernutzungsberechtigte zu jedwedem Gebrauch berechtigt (Ziergarten, Nutzgarten, Lagerplatz etc.), allerdings nicht zur Vornahme von baulichen Veränderungen.

Die Klägerin könne gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG i. V. m. § 1004 BGB Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Benutzung des Gemeinschaftseigentums entsprechend den Regelungen in der Teilungserklärung verlangen, welche auf die Beseitigung der Gartenhütte und der ihr dienenden Betontreppe gerichtet sei. 

Fazit:

Das LG München stellt klar, dass Wohnungseigentümer, die die ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstücksflächen laut Teilungserklärung beliebig nutzen dürfen, wie wenn sie „Eigentümer eines Gartens in einem real geteilten Grundstück wären“, keine eigenmächtigen baulichen Veränderungen durchführen dürfen.

Maßgebliche Vorschriften:

§ 18 WEG

(…)

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

1. eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie

2. eine Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums

verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung) und, soweit solche bestehen, den gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen entsprechen. (…)

§ 20 WEG

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. (…)

§ 1004 BGB

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Beitrag von Rechtsanwältin Marie-Lea Andert

Vita, Veröffentlichungen & Co.:

Hier lesen Sie mehr über Marie-Lea Andert