ein Beitrag von Dr. Peter Neusüß
Der Entwurf sieht auch für den unbeplanten Innenbereich weitergehende Befreiungsmöglichkeiten vor. So soll die Errichtung von Wohngebäuden auch dann zulässig sein, wenn sich das Wohngebäude nach Maß und überbaubarer Grundstücksfläche nicht einfügt. Auch hier muss der Gemeinderat zustimmen.
Wortlaut
§ 34 Abs. 3a BauGB-E soll lauten:
„Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
1. einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a) der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b) der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gebäudes für Wohnzwecke,
c) der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung oder
d) der Errichtung einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken, wenn sich das Vorhaben nach Art der baulichen Nutzung gemäß Absatz 1 oder 2 einfügt,
2. städtebaulich vertretbar ist und
3. auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. […]
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b bis d kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.“ (Hervorhebungen hinzugefügt)
Keine Beschränkung auf Bestandsschutz mehr
Der § 34 Abs. 3a BauGB hatte in der Praxis bislang eher eine geringe Bedeutung, auch weil die Rechtsprechung ihn als erweiterte Bestandsschutzregelung auffasste und den Anwendungsbereich auf die Fälle beschränkte, bei denen die Identität des Vorhabens gewahrt bleibt.
Diese Beschränkung wird durch den neuen Buchstaben d) aufgegeben: Nunmehr können auch vollständig neue Gebäude zugelassen werden. Im Gegenzug wurde, wie vom DAV vorgeschlagen, die Abweichung von der Zustimmung der Gemeinde abhängig gemacht, die wie bei § 31 Abs. 3 BauGB nicht ersetzt werden kann. Da das Zustimmungserfordernis alle Fälle erfasst, dürfte auch dort die Einschränkung auf die Identität wahrende Vorhaben überholt sein: Wenn ein gänzlich neues Vorhaben zugelassen werden kann, besteht kein Grund, Erweiterungen vorhandener Gebäude zu beschränken.
Einfügen nach Art der Nutzung
Damit muss sich künftig – bei Zustimmung der Gemeinde – ein Vorhaben nur noch nach der Art der Bebauung einfügen. Im Übrigen sind Abweichungen zulässig, solange sie städtebaulich vertretbar sind, d.h. auch durch Bebauungsplan zugelassen werden könnten, und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sind. Das Rücksichtnahmegebot muss gewahrt bleiben.
Die Abweichung muss sich dabei – auch im Falle des neuen Buchstabens „d)“ – nicht auf den Einzelfall beschränken, es sei denn, die Aufstellung eines Bebauungsplans ist erforderlich, etwa um eine Umweltprüfung durchzuführen (s. dazu Beitrag zu § 31 Abs. 3 BauGB-E.).
Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Neusüß
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