12.05.2023

Ausbau von Scheunen zu Wohnraum – eine Frage des Geruchs

Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Ole Jena

In Zeiten des dringenden Wohnraumbedarfs, der mittlerweile auch ländliche Bereiche erreicht hat, kommen neue Wohnnutzungen regelmäßig in Konflikt mit landwirtschaftlichen Geruchsimmissionen.

BVerwG, Urt. v. 15.09.2022 – 4 C 3/21.

Sachverhalt:

Der Kläger beantragte im Jahr 2009 einen Bauvorbescheid für ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen und zwei Garagen mit anschließendem Abstellraum. Das Vorhabengrundstück war unbebaut und lag innerhalb eines Bereichs, für den kein Bebauungsplan bestand. In der Nähe befanden sich einige wirtschaftliche Betriebe, deren Tierbestände jeweils mehrere hundert Mastschweine, Zuchtsauen, Ferkeln sowie Rindern umfassten. Die Jahres-Geruchsstunden am Ort des Vorhabens betrug 0,29.

Das Baurechtsamt lehnte den Antrag auf einen Bauvorbescheid ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Auch die Berufung wurde zurückgewiesen. Das OVG Schleswig-Holstein hatte die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, in einem faktischen Dorfgebiet sei das geplante Vorhaben mit dem Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BauNVO nicht vereinbar, weil sich das Vorhaben selbst unzumutbaren Geruchsimmissionen aussetze.

Entscheidung:

Das BVerwG schließt sich jedenfalls dem Ergebnis dem des Berufungsgerichts an und weist die Revision des Klägers als unbegründet zurück. 

Zunächst stellt das Gericht klar, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) als Orientierungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen aus der Tierhaltung herangezogen werden könne (so schon BVerwG, Urt. v. 27.06.2017 – 4 C 3/16). Aufgrund der Überleitungsvorschrift in Nr. 8 der TA-Luft 2021 ist die GIRL für alle Vorhaben, deren vollständiger Genehmigungsantrag vor dem 01.12.2021 gestellt wurde, weiterhin maßgeblich.

Es dürfe jedoch nicht pauschal auf die Grenzwerte der GIRL abgestellt werden. Vielmehr habe darüber hinaus eine umfassende Würdigung des Einzelfalls zu erfolgen, die u.a. etwaige Vorbelastungen durch bereits bestehende Nutzungen, die Siedlungsstruktur und die historische Entwicklung berücksichtigen müsse. 

Dieser Einzelfallwürdigung ist das Berufungsgericht, das max. 0,2 Jahres-Geruchsstunden für zulässig erachtete, nicht gerecht geworden. Gleichwohl kommt aber auch das BVerwG zum Ergebnis, dass das Vorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verstoße. 

Denn in der näheren Umgebung waren keine Wohnnutzungen mit vergleichbaren Immissionsbelastungen (hier 0,29 Jahres-Geruchsstunden). Daher verschärfe das Vorhaben den Nutzungskonflikt. Eine Anpassung des Betriebs käme nicht in Betracht und der Bauherr bestand auf den konkreten Standort des Vorhabens auf seinem Grundstück. Des Weiteren können höhere Immissionswerte auch nicht zur Disposition der Nutzer gestellt werden. Das Einverständnis höherer Immissionen durch die Bewohner löse den Nutzungskonflikt somit nicht.

Die vom Kläger angeführte Entscheidung des BVerwG vom 27.06.2017, 4 C 3/16, in der 0,33 Jahres-Geruchsstunden am Vorhabenstandort zulässig waren, könne nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden. Denn dort habe sich die Immissionssituation durch das neu hinzutretende Vorhaben nicht verschlechtert. Im konkreten Fall würde erstmalig ein Nutzungskonflikt zwischen nicht landwirtschaftsbezogener Dauerwohnnutzung und landwirtschaftlicher Nutzung begründet bzw. vorhandene Konflikte verschärft.

Fazit:

Für die Umnutzung von Scheunen in Wohnraum im ländlichen Bereich sollten vor einer umfassenden Planung stets mögliche Nutzungskonflikte ermittelt werden. Entscheidend ist dabei nicht schon eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte. Vielmehr muss anhand des Einzelfalls bestimmt werden, ob ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt. Sofern von vornherein feststeht, dass Nutzungskonflikte nicht erstmalig begründet oder verschärft werden, scheidet ein Verstoß aus. Umfassende Gutachten bedarf es in evidenten Fällen nicht. 

Maßgebliche Vorschriften:

§ 15 BauNVO

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) …

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