21.06.2022

Architekt steht Toleranzrahmen bei Baukostenüberschreitung zu!

Beitrag von Rechtsanwalt Moritz Schmid

OLG Hamm, Beschl. v. 17.09.2020 – 17 U 75/19;

BGH, Beschl. v. 04.08.2021 – VII ZR 166/20

Sachverhalt

Der Architekt (AN) wurde mit Planungsleitungen für die Errichtung eines Wohnhauses beauftragt und wird von seinem Auftraggeber (AG) wegen einer Überschreitung von Baukosten in Anspruch genommen, die anstatt der angeblich verbindlich vom AG vorgegebenen Baukosten letztlich ca. 10 % höher gelegen haben. Der AG macht gegenüber dem AN Schadensersatz in Höhe des Differenzbetrages geltend.

Entscheidung

Ein Schadensersatzanspruch scheitert an der fehlenden Vereinbarung einer Baukostengarantie, an deren Darlegung hohe Anforderungen zu stellen sind. Selbst bei Vereinbarung einer (von der Baukostengarantie zu unterscheidenden) Baukostenobergrenze als sog. Beschaffenheitsvereinbarung käme eine Haftung des Architekten bei einer geringfügigen Kostenüberschreitung nicht in Betracht. Ein Mangel des Architektenwerkes liege bei vereinbarter Baukostenobergrenze nicht vor, wenn sich die Baukostenüberschreitung innerhalb eines Toleranzrahmens von zumindest 10 % bewege.

Fazit

Eine Haftung in Höhe des Differenzbetrages zwischen zunächst vereinbarten und tatsächlich angefallenen Baukosten kann lediglich durch eine echte Baukostengarantie begründet werden. Diese ist in der Praxis wegen der damit verbundenen Nachteile für den Architekten eher selten. Im Fall der Vereinbarung einer Baukostenobergrenze wird sich noch zeigen, ob sich bei der Beurteilung der Mangelhaftigkeit des Architektenwerks in der Rechtsprechung ein bestimmter Toleranzrahmen durchsetzen wird. Der Nachweis eines Schadens wegen Überschreitung der Baukostenobergrenze ist in der Praxis für den Auftraggeber schwierig, da (i) den erhöhten Baukosten zumeist ein erhöhter Gebäudewert gegenübersteht und (ii) die höheren Kosten als Sowieso-Kosten schadensmindernd zu berücksichtigen sind. Ohne gesonderte Vereinbarung werden Toleranzgrenzen bezüglich der angefallenen Baukosten von bis zu 40 % gegenüber der Kostenschätzung, bis zu 25 % gegenüber der Kostenberechnung und bis zu 15 % gegenüber dem Kostenanschlag diskutiert.

Für Rechtssicherheit kann eine klare vertragliche Regelung sorgen, an der es in der Praxis häufig fehlt. Dabei sind auch AGB-rechtliche Gesichtspunkte zu beachten.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 633 BGB

(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,

         1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst

         2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist,

die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.

Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt.

(3) …

§ 634 BGB

Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

  1. nach § 635 Nacherfüllung verlangen,
  • nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,
  • nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und
  • nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

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