29.06.2022

Schriftformverstoß bei unbestimmter Ausbauverpflichtung

Beitrag von Rechtsanwalt Thilo Zagon

OLG Brandenburg (3. Zivilsenat), Urt. v. 10.01.2022 – 3 U 110

Wird bei einem länger als 1 Jahr fest geschlossenen Mietvertrag die Schriftform nicht gewahrt, gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann unter Einhaltung der gesetzlichen Frist von beiden Vertragsparteien ordentlich gekündigt werden. Soll die Schriftform gewahrt werden, müssen sämtliche relevanten mietvertraglichen Regelungen (insbesondere zu Vertragsparteien, Mietgegenstand, Miethöhe und Mietdauer) im Mietvertrag (oder einem Nachtrag) schriftlich derart enthalten sein, dass sie zumindest hinreichend bestimmbar sind.

Sachverhalt:

Gegenstand der Entscheidung des OLG Brandenburg war ein auf fünf Jahre befristeter Geschäftsraummietvertrag.

Die entscheidende im Mietvertrag enthaltene Regelung lautet:

„2. Die Gestaltung des Mietobjekts ergibt sich im Einzelnen aus den in der Anlage 2 zu diesem Vertrag genommenen Unterlagen (Grundriss, Flächenberechnung, Ausstattungsbeschreibung), die ausdrücklich zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung erhoben werden.

3. Die gemäß Abs. 1 und 2 erfolgte Beschreibung des Mietobjekts steht unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen oder Auflagen in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vorliegenden Baugenehmigung. Aus der Baugenehmigung folgende Änderungen sind dem Nutzer unverzüglich anzuzeigen.“

Vor Abschluss des Mietvertrags tauschten sich die Vertragsparteien per E-Mail zu den Ausstattungsdetails – die nicht der Anlage 2 des Mietvertrags entnommen werden konnten – sowie die dadurch bedingten Auswirkungen auf die Höhe der Miete aus.

Die Übergabe des Mietobjekts scheiterte später aus anderen Gründen.

Die Beklagte erklärte schließlich – unter Berufung auf einen Schriftformverstoß – die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Die Klägerin forderte Mietzahlungen und erhob Zahlungsklage. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Entscheidung:

Das OLG Brandenburg hielt ordentliche Kündigung für wirksam und bejahte einen Schriftformverstoß. Die nicht der Anlage 2 zu entnehmenden Nebenabreden zu den Ausstattungsdetails waren wesentlich und hätten somit der Schriftform bedurft.

Das Schriftformerfordernis aus §§ 550, 578 BGB sei nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Mietvertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Auch Nebenabreden bedürfen der Schriftform, wenn sie den Inhalt des Mietverhältnisses gestalten und nach dem Willen der Vertragsparteien wesentliche Bedeutung haben. Hingegen liege eine nicht schriftformbedürftige unwesentliche Nebenabrede dann vor, wenn sie lediglich in allgemeiner Form bereits getroffene vertragliche Vereinbarungen konkretisiert, ohne diese inhaltlich zu verändern.

Die Parteien haben in § 2 Abs. 2 des Mietvertrags vereinbart, dass sich die Gestaltung des Mietobjekts im Einzelnen aus den in der Anlage 2 zum Mietvertrag genommenen Unterlagen (Grundriss, Flächenberechnung, Ausstattungsbeschreibung) ergibt. Die Anlage 2 enthält Geschosszeichnungen, in denen die Lage der einzelnen Räume für die Nutzung, der Flure und der Bäder sowie Mobiliar (Betten, Tische, Sitzgelegenheiten) eingezeichnet sind. Aus der Anlage 2 ergebe sich jedoch nicht hinreichend, welcher Umfang der Ausstattung geschuldet ist. Aus der Anlage 2 ist zum Beispiel nicht erkennbar, welcher Bodenbelag verwendet werden soll. Küchenräume sind nicht eingetragen, was zumindest für das Vorhandensein von entsprechenden Strom- und Wasseranschlüssen von Bedeutung wäre. Der Aufzug ist dagegen eingezeichnet, obwohl er laut einer E-Mail nicht zur Verfügung gestellt werden soll. Ob, und welche Anpassungen im Trockenbau (gegenüber der ursprünglichen Planung) erfolgen sollten, lässt sich aus den Zeichnungen nicht entnehmen. Die Lage der Bäder ist nicht zu erkennen. Die vorgesehenen Sanitärobjekte sind nur grob skizziert, ohne dass sich eine Aussage zu ihrer Art und Qualität findet. Ein Erwerber könnte nicht erkennen, ob und in welchem Umfang ein Anspruch der Beklagten hinsichtlich der Ausstattung des Mietobjekts besteht und in welchem Umfang die Mieterin die Pflicht zur Ausstattung traf. Da die Ausstattung im vorliegenden Fall auch maßgebend für die Höhe des Mietzinses sein sollte, handelte es sich um eine wesentliche Nebenabrede.

Ein weiterer Verstoß gegen die nach § 550 Satz 1 BGB erforderliche Schriftform sah das OLG bei § 1 Abs. 3 des Mietvertrags. Danach steht die in § 1 Abs. 1 und 2 des Mietvertrags erfolgte Beschreibung des Mietobjekts unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen oder Auflagen in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorliegenden Baugenehmigung. Für die grundsätzliche bauliche Eignung hatte nach § 7 Abs. 2 des Mietvertrags der Kläger einzustehen; mithin die erforderlichen baulichen Maßnahmen durchzuführen. Diese Verpflichtung ist zu unbestimmt, um die Schriftform wahren zu können.

Praxishinweis:

Soll die Schriftform gewahrt und damit das Risiko einer vorzeitigen Vertragsbeendigung vermieden werden, müssen bei vereinbarten Um-/Ausbauten detaillierte Leistungsbeschreibungen (mit Angaben auch zur Art der Ausführung und zu den Qualitäten) sowie Detailpläne erstellt und diese mit dem Mietvertrag körperlich fest verbunden werden. Alles andere birgt erhebliche Risiken, insbesondere für die investierende Vertragspartei.

Beitrag von Rechtsanwalt Thilo Zagon
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