VGH Mannheim, vom 06.12.2022 – Az. 9 S 3232/21, Anmerkung von Rechtsanwältin Dr. Voigt
Die Beteiligung von Umlandgemeinden an schulischen Investitionskosten ist in § 31 SchulG geregelt und dient einem gerechten Ausgleich zwischen Standort- und Nachbargemeinden. Der VGH Mannheim hat hierfür ein Drei-Stufen-Modell (Freiwilligkeitsphase – Zwischenphase – Zwangsphase) entwickelt, das den rechtlichen Rahmen für eine verpflichtende Kostenbeteiligung vorgibt.
Sachverhalt:
Angesichts leerer Haushaltskassen und notwendiger Investitionen auch und gerade im Bereich öffentlicher Schulen nutzen Gemeinden zunehmend Möglichkeiten der Kostenentlastung. Eine dieser Möglichkeiten ist die Inpflichtnahme von benachbarten Gemeinden an den Kosten für den Bau oder die Sanierung von Schulgebäuden.
Von dieser, im Schulgesetz schon seit Jahrzehnten normierten Möglichkeit der (Kosten-)Beteiligung wurde zuletzt kaum Gebrauch gemacht. Durch die Entscheidung des VGH Mannheim vom 06.12.2022 – Az. 9 S 3232/21 hat diese Thematik aber erneut an Aktualität gewonnen und auch in jüngster Zeit wurden Schulen, so etwa in Südbaden, vermehrt von Schulstandortgemeinden zur Beteiligung an Errichtungs- oder Sanierungskosten von Schulgebäuden aufgefordert.
Entscheidung:
Die Beteiligungspflicht der Umlandgemeinden findet sich in § 31 Abs. 1 Schulgesetz (SchulG). Danach können Gemeinden zur gemeinsamen Erfüllung ihrer Aufgaben als Schulträger öffentlich-rechtliche Vereinbarungen schließen – und sind hierzu verpflichtet, wenn die Schulaufsichtsbehörde ein dringendes öffentliches Bedürfnis feststellt. Der Gedanke hinter dieser Pflicht ist ein gerechter Lastenausgleich: Besuchen Schüler aus mehreren Gemeinden eine Schule, sollen die Kosten nicht allein von der Standortgemeinde getragen werden. Vielmehr sollen die finanziellen Belastungen entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme verteilt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat für dieses Verfahren das sogenannte Drei-Stufen-Modell entwickelt und im Rahmen seiner jüngsten Entscheidung präzisiert:
- Freiwilligkeitsphase
Zunächst soll eine einvernehmliche Lösung zwischen Standort- und Umlandgemeinden gefunden werden. Die Standortgemeinde muss die relevanten Informationen (Baumaßnahmen, Kosten, Schülerzahlen) offenlegen und die Umlandgemeinden ausdrücklich zur Zusammenarbeit auffordern. Diese entscheiden dann per Gemeinderatsbeschluss über ihre Beteiligungsbereitschaft. - Zwischenphase
Verweigert eine Umlandgemeinde die Kooperation, kann die Standortgemeinde das Kultusministerium einschalten. Dieses prüft, ob ein dringendes öffentliches Bedürfnis vorliegt – etwa dann, wenn mehr als 30 % der Schüler aus anderen Gemeinden kommen und die Kostenlast für die Standortgemeinde unzumutbar ist. In diesem Fall werden die Umlandgemeinden verpflichtet, sich an den Kosten zu beteiligen; die inhaltliche Ausgestaltung dieser Beteiligung bleibt aber (zunächst) den Gemeinden überlassen. - Zwangsphase
Kommt es auch danach zu keiner Vereinbarung, greift die Rechtsaufsicht mit Maßnahmen zur Durchsetzung der Vereinbarung, einschließlich der Festlegung des Vertragsinhalts.
Auswirkungen & Fazit:
Das Beteiligungsmodell nach § 31 Abs. 1 SchulG kann zu einer fairen Verteilung der finanziellen Lasten zwischen Standort- und Umlandgemeinden beitragen – Voraussetzung hierfür ist aber stets eine sorgfältige Ermittlung und Bewertung der jeweiligen Interessenspositionen. Eine rein schematische oder pauschalisierte Übernahme vorhandener Vereinbarungen führt dagegen zumeist gerade nicht zu einer fairen Lastenverteilung. Für betroffene Kommunen ist es daher entscheidend, die rechtlichen Vorgaben und das mehrstufige Verfahren genau zu kennen und ausgehend hiervon im Bedarfsfall ein stimmiges Modell zu entwickeln – nicht zuletzt, um rechtssichere und ausgewogene Lösungen zu erzielen.
Maßgebliche Vorschriften:
§ 31 Abs. 1 Schulgesetz (SchulG)
(1) Gemeinden, Zweckverbände, Landkreise und Regionalverbände können mit Zustimmung der oberen Schulaufsichtsbehörde zur gemeinsamen Erfüllung der ihnen als Schulträger obliegenden Aufgaben Schulverbände bilden oder öffentlich-rechtliche Vereinbarungen abschließen. Sie sind hierzu verpflichtet, wenn die oberste Schulaufsichtsbehörde feststellt, daß ein dringendes öffentliches Bedürfnis hierfür besteht. Erfüllen Gemeinden und Landkreise die ihnen nach Satz 2 obliegende Verpflichtung nicht, trifft die Rechtsaufsichtsbehörde die notwendigen Maßnahmen.
(2) Im übrigen finden die Vorschriften des Zweckverbandsrechts Anwendung.

Beitrag von Rechtsanwältin
Dr. Marlene Voigt
Vita, Veröffentlichungen & Co.:
Hier lesen Sie mehr über Dr. Marlene Voigt