07.10.2022

Außerordentliche fristlose Kündigung eines Wohnraummietvertrages aufgrund unerlaubter Untervermietung an Touristen über „Airbnb“ ohne Abmahnung?

Beitrag von Rechtsanwältin Marie-Lea Andert

Urteil vom AG Freiburg, Urteil vom 09.08.2022 – 2 C 755/22

Sachverhalt und Entscheidungsgrundlage:

Die Klägerin vermietete an den Beklagten eine Wohnung zuWohnzwecken. Die Parteien vereinbarten im Mietvertrag, dass der Beklagte die Mietsache zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken nur mit Einwilligung der Klägerin nutzen dürfe. Zudem sah der Mietvertrag vor, dass zwei Personen in die Wohnung einziehen würden und der Beklagte der Klägerin jede Veränderung unverzüglich mitteilen müsse. Des Weiteren verpflichtete sich der Beklagte im Mietvertrag, Einbauten in der Mietsache nur mit schriftlicher Einwilligung der Klägerin vorzunehmen.

Der Beklagte hatte nach Einzug ohne Kenntnis der Klägerin zwei Trennwände in die Wohnung eingebaut, um zusätzliche Schlafräume zu schaffen und einzelne Zimmer der Wohnung über die Internet-Plattform Airbnb gewerblich an Touristenuntervermietet. Die Untervermietung über Airbnb wurde über einen Zeitraum von 6 Monaten bis 1,5 Jahren an 10 bis 50 Personen praktiziert.

Nachdem die Klägerin hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos, ohne die Pflichtverletzung zuvor abgemahnt zu haben. Der Beklagte löschte die Anzeige bei Airbnb nach Zugang der Kündigung und wies die Kündigung als unberechtigt zurück. Die Klägerin erhob hierauf die Räumungs- und Herausgabeklage gegen den Beklagten.

Entscheidung:

Das Amtsgericht Freiburg gab der Klage statt.

Der vorliegende Tatbestand der fortwährenden, gewerblichen Untervermietung ohne Erlaubnis der Vermieterin erfülle die Voraussetzungen, unter denen ein Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 1 BGB außerordentlich fristlos – ohne vorangegangene Abmahnung – gekündigt werden könne.

Der Ausspruch einer fristlosen Kündigung setze zwar gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich voraus, dass zuvor erfolglos eine Frist zur Abhilfe gesetzt oder eine Abmahnung ausgesprochen wurde. Gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 BGB sei eine Abmahnung aber entbehrlich, wenn eine Frist oder eine Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht bzw. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der Interessen beider Seiten gerechtfertigt ist.

Das Amtsgericht würdigte dabei, dass der Beklagte entgegen der vertraglichen Vereinbarung weder die Untervermietungen anzeigte noch für den Einbau der Trennwände eine Einwilligung der Klägerin einholte. Zudem seien einzelne Räume an eine erhebliche Anzahl an Touristen gewerblich zur kurzfristigen Nutzung untervermietet – und damit in zweckwidriger Weise genutzt – worden.

Unter Würdigung aller Umstände sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig und tiefgreifend zerstört, weshalb es einer Abmahnung vorliegend nicht bedurfte und auch unerheblich sei, dass der Beklagte bereit sei, auf eine künftige Nutzung der Wohnung über Airbnb oder ähnliche Plattformen zu verzichten.

Fazit und Ausblick:

Das Amtsgericht entschied im vorliegenden Fall, dass die Klägerin den Mietvertrag aufgrund der unerlaubten, gewerblichen Untervermietung an Touristen über die Internet-Plattform Airbnb außerordentlich fristlos und ohne zuvor erklärte Abmahnung kündigen konnte, da das Vertrauensverhältnis der Parteien endgültig und tiefgreifend zerstört gewesen sei.

Während die amts- und landgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob das Mietverhältnis wegen unerlaubter, gewerblicher Untervermietung an Touristen ohne zuvorerklärte Abmahnung gekündigt werden kann, uneinheitlich ist (z. B. Urteil des LG Berlin v. 15.09.2020, 63 S 309/19; Urteil des AG München v. 27.05.2020, 473 C 20883/19, Urteil des AG Lübeck v. 26.11.2020, 14 S 61/30), hat sich der Bundesgerichtshof mit dieser Fragestellung noch nicht auseinandergesetzt. Ob durch den Bundesgerichtshof Klarheit geschaffen werden kann, sei dahingestellt. Denn es kann nur durch eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls beantwortet werden, ob das Vertrauensverhältnis als endgültig und tiefgreifend zerstört anzusehen ist.

Maßgebliche Vorschrift:

§ 543 BGB

(1)  Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. (…)

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1. eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,

2. die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder

3. der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

Beitrag von Rechtsanwältin Marie-Lea Andert

Vita, Veröffentlichungen & Co.:

Hier lesen Sie mehr über Marie-Lea Andert