07.09.2021

Kein Zugriff der Gemeinden auf geförderten Wohnungsbau?

Die geänderte Verwaltungspraxis bei Förderprogrammen des Landes für den Mietwohnungsbau.

Verwaltungsvorschrift zum Förderprogramm Wohnungsbau Baden-Württemberg 2020/2021 (VwV-Wohnungsbau BW 2020/2021) vom 01.04.2020.

Die neue Verwaltungsvorschrift Förderprogramme gibt Anlass, über aktuelle rechtliche und politische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Schaffung von staatlich gefördertem Wohnungsraum nachzudenken.

Zum Fall

In der Gemeinde G plant ein Bauherr mit Förderung der L-Bank die Schaffung neuen Wohnraums. Vor der Schaffung von Baurecht schloss die Gemeinde einen der üblichen städtebaulichen Verträge mit dem Bauherrn ab. Darin ist die Pflicht des Bauherrn geregelt, geförderten Wohnraum herzustellen und dies zugunsten der Gemeinde durch eine Dienstbarkeit zu sichern. Die L-Bank verlangte unter Berufung auf die Verwaltungsvorschrift den Verzicht auf die Eintragung der Dienstbarkeit.

VwV-Wohnungsbau BW 2020/21

Die Verwaltungsvorschrift Wohnungsbau BW in der Fassung vom 01.04.2020 S. 10 f. lautet:

„Der Wohnberechtigungsschein gilt landesweit. Er korrespondiert damit mit der im Landesinteresse liegenden allgemeinen Belegungsbindung, die den landesweiten Zugang zu Sozialmietwohnraum für alle wohnberechtigten Haushalte gleichermaßen eröffnen soll.

Tatsächliche Beschränkungen der allgemeinen Belegungsbindung, indem die Überlassung des sozial gebundenen Mietwohnraums hiervon abweichend nur oder vorrangig an bestimmte Personengruppen oder Haushalte erfolgt, sind somit regelmäßig nicht zulässig. Das gilt auch für die soziale Mietwohnraumförderung für Kommunen (vergleiche Abschnitt II E).

Anders verhält es sich bei rechtlichen Beschränkungen der Belegungsbindung. Diese Beschränkung kann einerseits durch die Festsetzung einer Sonderbindung in der Förderzusage erfolgen. Die Sonderbindung knüpft an bestimmte Personengruppen und Merkmale beziehungsweise Eigenschaften an (vergleiche Abschnitt II C, Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung, Abschnitt II D, „Mitarbeiterwohnen“), die zur Einkommensschwäche hinzukommen, und gestaltet die Belegungsbindung dahingehend aus.

Eine rechtliche Beschränkung der allgemeinen Belegungsbindung ist ferner möglich, wenn ein Belegungsrecht der Standortgemeinde im Sinne eines Benennungs- oder Besetzungsrechts an dem geförderten Wohnraum eine Abweichung von der allgemeinen Belegungsbindung zugunsten bestimmter Haushalte oder Personengruppen beinhaltet.

Ein solches Belegungsrecht kann in Einzelfällen mit der Förderzusage öffentlich-rechtlich begründet werden. In der Praxis wird eine solche Befugnis der Gemeinde, mit dem Ziel, auf die Vermietung zumindest einzelner geförderter Wohnungen Einfluss zu nehmen, auch zum Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen des Verfügungsberechtigten mit der Gemeinde gemacht.

Belegungsrechte als Ausfluss der Förderzusage oder vertraglicher Abreden sind nur in Inhalt und Umfang begrenzt gestattet, da der Fördergeber keine inhaltliche Umdeutung seiner Belegungsbindung erstrebt.“

„Erstrebt“ soll hier wohl heißen „zulässt“.

„Gemeindliche Belegungsrechte an sozial gebundenen Mietwohnungen sind inhaltlich auf die schuldrechtliche Wohnraumüberlassung an Wohnungsnotfälle und Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung und umfänglich auf maximal 30 Prozent der jeweils geförderten Mietwohnungen, jedoch nicht mehr als zehn Mietwohnungen des Förderantrags insgesamt begrenzt.“

Was zulässig ist

Ohne weiteres zulässig erscheint eine Bindung im Rahmen der Verwaltungsvorschrift, also auch zugunsten der Gemeinde mit einem eigenen Forderungsrecht gegenüber dem Bauherren, solange sich der Inhalt auf das ausdrücklich Vorgesehene beschränkt: Eine „schuldrechtliche Wohnraumüberlassung an Wohnungsnotfälle und Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung und umfänglich auf maximal 30 Prozent der jeweils geförderten Mietwohnungen, jedoch nicht mehr als zehn Mietwohnungen des Förderantrags insgesamt begrenzt.“

Was selbstverständlich sein sollte

Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass eine Gemeinde auf Bindungen verzichtet für den Fall, dass die Förderung scheitert oder ausläuft: Ohne Förderung gibt es keine kollidierenden Interessen.

Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dass die Gemeinde auf ein eigenes Forderungsrecht und dessen dingliche Sicherung verzichtet, das inhaltlich mit dem Förderprogramm übereinstimmt. Die Gemeinde muss sich – als zusätzliche Absicherung – das Gleiche versprechen lassen können wie der Fördergeber.

Was keinen Konflikt verursacht

Einheimischenmodelle mit einem vergünstigten Grundstücksverkauf in Kombination mit einer Wohnraumförderung lösen u. E. ebenfalls keinen Konflikt aus, weil die Gemeinde sich Bindungen für den vergünstigten Verkauf, nicht für die Förderung einräumen lässt. Auch beziehen sich die oben zitierten Ausführungen ausdrücklich nur auf den Mietwohnungsbau und dürften daher auf geförderten selbst genutzten Wohnraum nicht anwendbar sein. Dazu haben wir die L-Bank aber vorsorglich um Stellungnahme gebeten. Im Ergebnis muss klar sein, dass die Förderung von Kauf und Bau nicht daran scheitern kann, dass die Gemeinde sich für ihren Beitrag selbstständige, von den Förderbedingungen unabhängige und auch darüber hinaus gehende Bindungen einräumen lässt.

Widerstreitende Interessen

Beim geförderten Mietwohnungsbau könnten aber entgegengesetzte Interessen aufeinandertreffen: Das Land will durch die Förderzusage der L-Bank preisgünstigen Wohnraum für Inhaber eines Wohnberechtigungsschein mit einem landesweiten Zugang schaffen. Gemeinden wollen dagegen mit ihren „Einheimischenmodellen“ die eigenen Bürger vor Verdrängung schützen und ihnen vorrangig preisgünstigen Wohnraum bieten. Im Bedarfsfall möchten sie Wohnraum-Bedürftige sogar einweisen können. Das bedingt aber gegenüber den Fördervorgaben weitergehende Einschränkungen und Belegungsrechte zugunsten der Gemeinden.

Unsere Auffassung

Nachvollziehbar ist das Interesse des Landes, dass geförderter Wohnraum ausschließlich im Rahmen der Förderbedingungen genutzt wird. Nachvollziehbar ist aber auch ein Interesse der Gemeinde, eigene sozialpolitische Interessen zu verfolgen und dazu den Kreis der Berechtigten noch weiter einzuschränken, solange keine Unberechtigten in die Wohnung kommen und kein Leerstand entsteht. In diesem Fall muss unseres Erachtens das Interesse am landesweiten Angebot zurücktreten. Dies sollte in der VwV Wohnungsbau BW klargestellt werden.

Autoren: Tammo Kratzin, Dr. Peter Neusüß, Prof. Dr. Reinhard Sparwasser